Frage an Matthias W. Birkwald von Claus-Dieter D. bezüglich Senioren
Sehr geehrter Herr Birkwald,
nach langen Begehrlichkeiten (fast) aller Parteien ist ja mit dem AltEinkG zum 1.1.2005 die Besteuerung der Versicherungsleistung Altersrente nach dem EStG in Kraft getreten.
Damit wird der Rentner genau so steuerlich behandelt, wie ein Arbeitnehmer, d.h. wird er mit einem Ehepartner zusammen veranlagt und der arbeitende Ehepartner ist gemäß EStG §38b in Steuerklasse 3, ist der Rentner in Steuerklasse 5, d.h. er bezahlt die Differenz zum Betrag in der Splittingtabelle.
Wie steht die Linke zu dieser Frage der Besteuerung von Versicherungsleistungen?
Eine zweite Frage, ebenfalls recht grundsätzlich: Der Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung (Pflichtbeitrag) unterliegt nicht der Einkommensteuerpflicht, die Aufwendungen, die ein öffentlicher Arbeitgeber für die Altersversorgung seiner Beamten hat, unterliegen (lt. 2BvL 17/99, Tz. 144) mangels Zufluss sowie mangels Verfügbarkeit nicht dem EStG, ja tauchen nicht einmal in der Steuererklärung auf, nur der Pflichtbeitrag des Arbeitgebers zur Rentenversicherung wird als Einkommen im Sinne des EStG gesehen (und seit Jahrzehnten mit irgendwelchen Pauschalen aus dem steuerpflichtigen Einkommen teilweise oder ganz heraus gerechnet).
Gibt es da eine Meinung der Linken?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dudel
Sehr geehrter Herr Dudel
vielen Dank für Ihre Fragen zur steuerrechtlichen Behandlung von Alterseinkünften. Bitte entschuldigen Sie vorab, dass wir nicht auf alle Details eingehen, da wir als LINKE die unterschiedliche Behandlung von Beamtenpensionen und gesetzlicher Rente als auch von privater Altersvorsorge und betrieblicher Altersversorgung nicht nur im Steuerrecht sehr grundsätzlich kritisieren.
Aber nicht nur die sogenannten drei Säulen, sondern auch Personengruppen werden nach unserer Auffassung relativ willkürlich unterschiedlich behandelt. Auch das sprechen Sie an. Wir treten deshalb, nicht zuletzt um eine weitergehende Gleichbehandlung zu erreichen, für eine umfassende Erwerbstätigenversicherung ein.
Es sollen zukünftig unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung nicht nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Kindererziehende, Pflegende, sondern auch wieder Erwerbslose und auch Beamt*innen, Politiker*innen, Freiberufler*innen und Selbständige versichert werden und vergleichbare Leistungen erhalten, die auch steuerlich gleich behandelt werden.
In Anbetracht dieser grundsätzlichen Kritik ist allerdings die von Ihnen konkret angesprochene unterschiedliche Behandlung von Arbeitgeberbeiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei Beamtenpensionen nicht zu beanstanden. Richtig ist, dass seit 2005 auch der Arbeitgeberanteil in der gesetzlichen Rentenversicherung als Vorsorgeaufwendung steuerlich geltend gemacht werden kann. Das liegt daran, dass der Rentenversicherungsbeitrag insgesamt für Arbeitnehmer*innen gezahlt wird aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der GRV, nur eben anteilig durch Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen. Es spielt im Ergebnis keine Rolle, ob Arbeitnehmer*innen den Anteil der Arbeitgeber*innen als Entgelt erhalten und dann selbst den vollen Beitrag leisten oder eben Arbeitgeber*innen die Hälfte zahlen. Beamt*innen hingegen erhalten Anspruch auf Altersvorsorge ohne eigene Beitragsleistungen, daher können diese auch nicht berücksichtigt werden. Des weiteren fragen Sie auch nach unserer grundsätzlichen Position zur Besteuerung von Versicherungsleistungen im Sinne von Altersrenten.
Seit 2005 erfolgt bei der Besteuerung von Rentenbeiträgen und -bezügen der Übergang zur sogenannten nachgelagerten Besteuerung. Damit ist gemeint, dass zukünftig im Regelfall die Rentenbeiträge bis zu einem Höchstbetrag nicht besteuert werden, während die späteren Rentenbezüge der regulären Einkommensteuer unterliegen. Der Höchstbetrag beträgt im Jahr 2016 22 767 Euro bei Einzelveranlagung bzw. 45 534 Euro im Splittingverfahren. Diese Obergrenze ist mit der normalen GRV alleine nicht zu erreichen; sie betrifft daher nur Besserverdienende mit hoher separater Altersvorsorge. Da die nachgelagerte Besteuerung einen Systemwechsel bedeutet, wird sie nur schrittweise über einen relativ langen Zeitraum umgesetzt: So erfolgt die volle Steuerbefreiung der Rentenbeiträge erst ab dem Jahr 2025. Umgekehrt erfolgt eine volle Besteuerung der Renten erst ab dem Neurentnerjahrgang 2040. In der Zwischenzeit werden nur Teile der Rentenbeiträge von der Steuer befreit und nur Teile der Rentenbezüge der Steuer unterworfen, wobei diese Anteile von Jahr zu Jahr wachsen. Dieser Übergang ist notwendig, weil früher Renten nur teilweise besteuert wurden (Pensionen allerdings zu 100 Prozent), und zudem Rentenbeiträge auch nur teilweise steuerbefreit waren. Ein abrupter Wechsel hätte daher gravierende Ungerechtigkeiten sowie erhebliche Steuerausfälle bewirkt. Im Übrigen ist der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung auch das Resultat eines Bundesverfassungsgerichtsurteils aus dem Jahr 2002, bei dem insbesondere die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Pensionen und Renten als verfassungswidrig beurteilt wurde. Allerdings ist es genau dieser Übergang, der die Rentenbesteuerung so kompliziert macht. Beispielsweise gilt für die Rentenbezieher*innen, dass ihr steuerfreier Teil mit dem Beginn der Rentenzahlungen festgelegt wird. Er bleibt dann für den Rest ihres Lebens in der absoluten Höhe unverändert, wodurch etwaige Rentenerhöhungen komplett der Steuerpflicht unterliegen.
Trotzdem dürfte der überwiegende Teil der bereits rentenbeziehenden Rentner*innen keine Steuern auf ihre Rente zahlen. Beispiele: Beziehen Rentner*innen seit 2006 oder früher eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und verfügen sie über keine anderen steuerpflichtigen Einkünfte, dann führt eine Rente von bis zu ca. 19 000 Euro im Jahr (der genaue Betrag hängt von individuellen Verhältnissen ab) zu keiner Steuerzahlung (38 000 Euro bei Verheirateten). In aller Regel gilt, dass wer nur eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und keine weiteren Einkünfte hat, auch künftig keine Steuern zahlen muss. Betroffen von der Besteuerung sind vor allem Rentnerhaushalte mit erheblichen zusätzlichen Einkünften. Das sind z. B. Ehepaare, von denen ein Partner noch arbeitet, und Rentner*innen, die beträchtliche Einnahmen etwa aus Wohnungsvermietungen erzielen. DIE LINKE ist aus Gerechtigkeitsgründen grundsätzlich für die nachgelagerte Besteuerung. Wir halten die Steuerbefreiung für Rentenbeiträge in einem gewissen Umfang für geboten, da das dafür verwendete Einkommen nicht für die freie Verwendung zur Verfügung steht und somit die individuelle Leistungsfähigkeit nicht erhöht.
Umgekehrt gilt bei Rentenbezug, dass hohe Renten auch eine hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beinhalten und dementsprechend wie alle anderen Einkünfte und Bezüge besteuert werden sollten. Durch unser Steuerkonzept (u.a. mit einem Grundfreibetrag in Höhe von mindestens 9 300 Euro) erreichen wir dabei, dass die Bezieher*innen von niedrigen Renten und Löhnen keine Steuern zahlen müssen. Vorrangig streben wir allerdings an, dass Niedrigrenten und -löhne der Vergangenheit angehören sollen, indem die Mindestlöhne und –renten angehoben werden.
Vorrangig streben wir allerdings an, dass Niedrigrenten und -löhne der Vergangenheit angehören sollen, indem der gesetzliche Mindestlohn angehoben wird und wir mit einer einkommens- und vermögensgeprüften solidarischen Mindestrente dafür sorgen wollen, dass niemand im Alter von weniger als 1050 Euro netto leben muss.
Was wir allerdings kritisch sehen, ist die Tatsache, dass die Bundesregierung in ihren Prognosen zur Alterssicherung davon ausgeht, dass die individuelle Steuerersparnis auf Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung während des Erwerbslebens in eine private Altersvorsorge ‚investiert‘ werden muss, um später einmal den Einkommensverlust aus der nachgelagerten Besteuerung im Alter auszugleichen und damit ein lebensstandardsicherndes Niveau zu erreichen.
Kritisch sehen wir weiterhin, dass die Finanzverwaltung mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung völlig überfordert ist, sie hängt meilenweit der Zeit hinterher. Das führt dazu, dass viele Rentner*innen nach wie vor überhaupt nicht wissen, ob sie Steuern zahlen müssen oder nicht.
Kritisch sehen wir zuletzt natürlich auch die von ihnen angesprochen gemeinsame Veranlagung von Ehepaaren. Die Fraktion DIE LINKE will das nicht mehr zeitgemäße, aus dem Jahre 1957 stammende Ehegattensplitting abschaffen. Stattdessen fordert die Fraktion ein sozial gerechtes, einfaches und transparentes Steuersystem. Dazu gehört ein Einkommensteuertarif, der untere und mittlere Einkommen entlastet. Das bedeutet konkret: Jede Frau und jeder Mann ist mit dem eigenen Einkommen unabhängig von der jeweiligen Lebensweise – verheiratet, alleinstehend, geschieden – zu besteuern. Steuerliche Mehreinnahmen, die aus der Streichung des Ehegattensplittings resultieren, sind für die Erhöhung des Kindergeldes sowie die steuerliche Berücksichtigung tatsächlicher Betreuungs- und Pflegeleistungen zu verwenden. Ehepaare und Lebenspartnerschaften mit niedrigem oder mittlerem Einkommen werden durch den Wegfall des Ehegattensplittings in keinem Fall belastet. Zu ihren Gunsten wird der Einkommensteuertarif geändert. Auch sollen Unterhaltszahlungen zwischen den Eheleuten bzw. den Lebenspartner/-innen steuerlich freigestellt werden, soweit sie der Abdeckung des Existenzminimums der Partnerin bzw. des Partners dienen.
D.h. konkret: Wenn die eine Partnerin bzw. der eine Partner ihren/seinen einkommensteuerlichen Grundfreibetrag nicht ausschöpft, so kann der nichtausgeschöpfte Teil auf die andere Partnerin bzw. den anderen Partner übertragen werden.
In diesem Sinne und mit den besten Wünschen und freundlichen Grüßen,
Matthias W. Birkwald MdB