Frage an Matthias W. Birkwald von Bernd S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Birkwald,
mit Erstaunen habe ich registriert, dass die mit vielem Getöse eingeführte "Mütterrente" an den Ärmsten vorbei gegangen ist? Bei BezieherInnen von Grundsicherung werden die Einkommen aus der "Mutterrente" im vollen Umfang mit den Grundsicherungsleistungen verrechnet. Wurde nicht postuliert, der Gesetzgeber wolle, dass gerade diejenigen Frauen, die wesentliche Teile ihres Lebens mit Kindererziehung verbracht haben und deshalb gar keine oder nur geringe Rentenansprüche erwerben konnten einen Ausgleich für ihre Lebensleistung bekommen? Die Realität sieht so aus, dass eben nur diejenigen profitieren, die bereits einen Rentenbezug oberhalb des Grundsicherungssatzes haben. Die schlechter gestellten haben im Zweifelsfall nicht einen Cent mehr in der Tasche.
Meine Fragen an Sie sind:
War Ihnen bekannt, dass die Mütterrente im vollen Umfang mit Grundsicherungsleistungen verrechnet wird und ist dieses Verfahren in Ihrem Sinne?
Ist es Realität, dass bedingt durch dieses Anrechnungsverfahren Kosten der Grundsicherung aus dem Sozial-Budget verlagert werden in die Rentenkassen und geschieht dies mit Ihrer Billigung?
Sind Sie dafür, das Gesetz, bzw. dessen Umsetzung beizubehalten, oder meinen Sie es müssten Veränderungen vorgenommen werden, um die von mir beschriebenen Auswirkungen zu verbessern?
Mit freundlichem Gruß
Bernd Schumann
Sehr geehrter Herr Schumann,
die vielzähligen Gerechtigkeitslücken, die mit der sog. ‚Mütterrente‘ verbunden sind, waren uns bekannt, nicht zuletzt, die von Ihnen kritisierte Verrechnung mit der Grundsicherung.
DIE LINKE hatte dies frühzeitig - unter anderem in einem Brief unserer Parteivorsitzenden Katja Kipping an Ministerin Nahles - kritisiert und eine unbürokratische Lösung gefordert.
Die Ministerin antwortete am 6. Mai 20124, dass sie „weder die von Ihnen vermutete eklatante Gerechtigkeitslücke nachvollziehen noch die Notwendigkeit für eine Ausnahmeregelung für diesen Personenkreis zu erkennen“ vermöge und berief sich dabei auf den Nachranggrundsatz, nach dem zunächst Einkommen und damit auch Renten anzurechnen sind.
Die Berichterstattung dazu können Sie hier lesen:
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article128206941/Wirtschaft-bleibt-bei-Kritik-am-Rentenpaket.html
Wir haben diese Gerechtigkeitslücke und auch die ungleiche Bewertung von Kindererziehungszeiten in Ost und West sowie von Kindern die vor bzw. nach 1992 geboren wurden also im Gesetzgebungsverfahren scharf kritisiert, aber vor allem auch die Tatsache, dass die falsche und sozial ungerechte Finanzierung der „Mütterrente“ aus Beitragsmitteln dazu führen wird, dass die Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Rentenversicherung rasch abschmelzen wird. Dies reduziert den Spielraum für andere, systemgerecht aus Beiträgen zu finanzierende Leistungsverbesserungen wie die Anhebung des Rentenniveaus, die Rücknahme der Rente erst ab 67, die Abschaffung der Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten und die konsequente Ausrichtung des Reha-Budgets am tatsächlichen Bedarf.
Insbesondere das sinkende Rentenniveau ist dafür verantwortlich, dass immer mehr Rentnerinnen und Rentner auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind.
Das Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern) wollen wir deshalb wieder auf den Stand vor den Rot-Grünen Rentenreformen (53 Prozent) bringen, damit langjährige Beitragszahlende auch in Zukunft den Lebensstandard sichernde Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Wir wollen, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben – wie Kindererziehungszeiten und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung – aus Steuern und nicht aus Beiträgen finanziert werden.
DIE LINKE fordert darüber hinaus eine Solidarische Mindestrente, die sicherstellt, dass kein Mensch im Alter ein Nettoeinkommen unterhalb der Armutsgrenze hat.
Auf unsere Solidarische Mindestrente sollen alle in Deutschland lebende Menschen auf individueller Basis und auf der Grundlage gesetzlicher Unterhaltsansprüche unabhängig von vorheriger Beitragsleistung einen Rechtsanspruch haben. Die Solidarische Mindestrente wird als Zuschlag oder im Einzelfall auch als Vollbetrag von der Rentenversicherung ausgezahlt. Sie ist steuerfinanziert und einkommens- und vermögensgeprüft. Sie soll 1.200 Euro brutto und damit 1050 Euro netto betragen.
Sie sehen, dass DIE LINKE Ihre Positionen unterstützt, allerdings fehlen uns (noch) die parlamentarischen Mehrheiten, um diese durchzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias W. Birkwald MdB