Frage an Matthias W. Birkwald von Jörg L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Birkwald,
warum gibt es in Deutschland aktuell fast nur noch ausschließlich Stellenangebote über Zeitarbeit bzw. branchenübergreifend (einschließlich öffentl. Dienst) fast auschließlich nur noch befristete Stellenangebote ?
Für Ihre Antwort vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Jörg Lindeholz,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Antwort darauf, warum es in Deutschland in der Mehrzahl nur noch Jobangebote bei Leiharbeitsfirmen und für befristete Anstellungen gibt, stellt sich aus Sicht der LINKEN wie folgt dar:
In den vergangenen 20 Jahren - mit einer Hochphase zur Zeit der Agenda 2010 - wurde der Arbeitsmarkt in Deutschland in vielen einzelnen Schritten dereguliert. Schutzrechte für Beschäftigte wurden Schritt für Schritt nach dem Motto "Hauptsache Arbeit" oder "Sozial ist, was Arbeit schafft" zurückgeschraubt. Das eine Motto ist so falsch wie das andere, weil es dazu führte und führt, dass sich befristete Arbeitsverträge, Leiharbeit und Niedriglöhne ausbreiten und qualitative Aspekte im Bereich Arbeit in den Hintergrund traten. DIE LINKE lehnt diese Politik strikt ab und macht sich für mehr "Gute Arbeit" (nach der DGB-Definition) stark. Das bedeutet, dass wir dafür streiten, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis wieder die Regel wird und Leiharbeit deutlich zurückgefahren und langfristig abgeschafft werden wird. Wir wollen die sachgrundlose Befristung abschaffen und bei der Leiharbeit das Gleichbehandlungs- und Gleichbezahlungsgebot ab dem ersten Einsatztag festschreiben, sowie den einzelnen Einsatz auf drei Monate beschränken. Langfristig wollen wir Leiharbeit verbieten.
Wir LINKEN halten eine Umkehr für dringend notwendig. Die Anzahl der befristeten Verträge bei Neueinstellungen hat sich dramatisch entwickelt. 2011 waren 42 Prozent aller Neuverträge befristet. Die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen umgehen mit dieser Art von Vertragsgestaltung das Kündigungsschutzrecht. Nicht selten wird auch davon Gebrauch gemacht, dass nach einer Befristung ein unbefristeter Arbeitsvertrag mit wiederum einer Probezeit von sechs Monaten abgeschlossen wird. Solche Fallgestaltungen haben einen ungeheuer disziplinierenden Charakter. Damit wird den Beschäftigten zudem die Möglichkeit genommen, auf einer verlässlichen Basis ihr berufliches und privates Leben zu planen und zu gestalten.
Ähnlich funktioniert es mit der Leiharbeit. Auch hier umgehen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine solide Personalarbeit. Leiharbeitsverhältnisse gehen nicht in die Personalkosten eines Unternehmens ein. Hier fallen betriebswirtschaftlich sogenannte "Sachkosten" an. Das ist beleidigend für die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter und die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen reduzieren damit verschiedentlich die eigene Belegschaft auf einen absolut notwendigen Personalanteil und stocken mit Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern ihren Personalbestand auf. In der Regel verdient man in der Leiharbeitsfirma zwischen dreißig bis fünfzig Prozent weniger als eine vergleichbare Arbeitnehmerin oder ein vergleichbarer Arbeitnehmer der Stammbelegschaft in einem Einsatzbetrieb.
Wie bereits gesagt, es werden Personalkosten gespart und das personalwirtschaftliche Risiko trägt die Leiharbeitsfirma. Sie muss die Kosten im Falle von Krankheit, Urlaub u.a. tragen. Auch die Leiharbeitsfirmen arbeiten mit dem Instrument der befristeten Verträge bei Neueinstellungen. Knapp die Hälfte aller Leiharbeitsverhältnisse enden innerhalb der ersten drei Monate. Insofern ist erklärlich, dass hier ein hoher Ersatzbedarf besteht. Da die Leiharbeit nicht die Rolle einnimmt, die ihr eigentlich zugedacht sein sollte, nämlich bei außergewöhnlichen Spitzen und lediglich vorrübergehendem Bedarf eingesetzt zu werden, wird sie zur Lohndrückerei missbraucht.
Wegen dieser Entwicklungen lehnen meine Partei und ich die Leiharbeit strikt ab.
Bei Interesse finden Sie weitere Informationen dazu auf der Webseite unserer Bundestagsfraktion: http://www.linksfraktion.de/themen/leiharbeit/
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Matthias W. Birkwald, MdB