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Matthias W. Birkwald
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Frage von Gerald G. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Gerald G. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Birkwald,

leider geht es meiner Meinung nach in Deutschland sehr ungerecht und unfair zu.

Das Evangelli Gaudium von Papst Franziskus ist meines Erachtens sehr aufschlussreich. Ich möchte Ihnen einen Link dazu mitsenden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Evangelii_gaudium

Zwei Zitate aus dem Papier:

" Für die Wirtschaft und für den Markt ist Solidarität fast ein Schimpfwort"
( Papst Franziskus)

" Diese Wirtschaft tötet. Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht"

( Papst Franziskus)

Welche Schlüsse zieht die Politik aus diesen Worten?

Der status quo ist ja ein völlig anderer, nämlich der, dass das Vermögen in Deutschland ungleicher verteilt ist als im Rest der Eurozone. Als achweis dafür sende ich Ihnen einen Link zu diesem Bericht mit:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/vermoegen-in-deutschland-ungleicher-verteilt-als-im-rest-der-eurozone-a-955701.html

Von dem Vermögen welches vererbt wird ( vererben kann man nicht als Leistung bezeichnen oder?) könnte doch der Staat etwas mehr für sich nehmen, warum macht er das nicht?

Was tut die Politik um das Ungleichgewicht zu ändern?

Ich musste von München zurück nach NRW ziehen, weil ich keine Kleinwohnung unter 850 Euro fand. Und das obwohl ich hier einen schlechter bezahlten Job ausüben muss.

Drei Vermieter wollten nur ohne Vertrag vermieten, eventuell um keine Steuern zu bezahlen, das kann ich aber nicht nachweisen.
Warum macht man einen Mietvertrag nicht zur Pflicht?

Mit freundlichen Grüßen,

Gerald Grzybowski

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Grzybowski,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte. Ebenso danke ich für Ihren Hinweis auf das Evangelii gaudium von Papst Franziskus, welches ich ebenfalls bereits gelesen habe und dessen Inhalte ich überwiegend teile. Auch der ehemalige Parteivorsitzende und Vorsitzende der LINKEN Fraktion des Saarlandes, Oskar Lafontaine, hat sich dazu bereits geäußert. Seine diesbezügliche Pressemitteilungen finden Sie hier: http://www.linksfraktion-saarland.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/oskar-lafontaine-evangelii-gaudium-spiegelt-ziele-und-inhalte-der-linken-wider/

Zu Ihren Ausführungen bezüglich der Ungleichverteilung von Vermögen in Deutschland kann ich Ihnen nicht antworten, was die Politik generell dagegen unternimmt, sondern kann nur erläutern, wie DIE LINKE dieses Problem beseitigen möchte. DIE LINKE setzt sich bereits seit Langem für eine Millionärssteuer auf hohe Vermögen ein. Nettovermögen von mehr als einer Million Euro soll mit fünf Prozent besteuert werden. Besteuert werden so gezielt die Vermögen von Milliardär*innen und Millionär*innen. Die Steuerpflicht auf Einkommen- und Vermögenssteuer soll generell an die Staatsbürgerschaft gebunden werden. Zudem fordern wir, den Spitzensteuersatz auf 53 Prozent, den Grundfreibetrag auf 9.300 Euro und das Kindergeld auf 200 Euro anzuheben (ab dem dritten Kind entsprechend mehr). Große Erbschaften sollen höher als bisher besteuert werden. Freibeträge von bis zu 300.000 Euro schützen kleine Erbschaften. Ausgenommen von höheren Steuern bleibt auch selbstgenutztes Wohneigentum. Dies müsste in Ihrem Sinne sein. Hoffe ich jedenfalls.

Zur Beantwortung Ihrer Frage nach einer Einführung einer Mietvertragspflicht, muss ich leider ein wenig ausholen.

In der Regel wird bei der Vermietung einer Wohnung oder eines Hauses ein schriftlicher Mietvertrag abgeschlossen. Inhalt dieses schriftlichen Vertrages sind unter anderem die Höhe der Mietkosten, die genaue Bezeichnung des Mietobjekts und der Beginn und evtl. Dauer des Mietverhältnisses.

Da der schriftliche Mietvertrag keine Pflicht ist, kann ein Mietverhältnis auch zustande kommen, wenn nur ein mündlicher Mietvertrag abgeschlossen wurde.

Ist kein schriftlicher Mietvertrag vorhanden, gelten die Regelungen des BGB.

Auch wenn kein schriftlicher Mietvertrag vorhanden ist, so hat auch ein mündlicher Mietvertrag seine rechtliche Gültigkeit. Da bei mündlichen Absprachen kein schriftlicher Mietvertrag vorhanden ist, sind hier die Grundlagen des BGB § 535 ff. für Mieter*innen und Vermieter*innen bindend. Inhalt dieser Regelungen sind unter anderem die einzuhaltenden Kündigungsfristen, Fälligkeiten der zu zahlenden Miete und das Recht auf Mietminderung bei entstehenden Mängeln.

Ist kein Mietvertrag vorhanden, so gelten die Regelungen nach § 542 BGB - § 546 a BGB zusätzlich der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten. Die Kündigung eines Mietertrages muss auch bei einem mündlich abgeschlossenen Vertrag schriftlich erfolgen.

Besonderheiten bei einer Vermietung ohne Mietvertrag:

Wird ein Mietvertrag nur mündlich abgeschlossen, so ist dieser automatisch ein unbefristeter Vertrag unabhängig von eventuellen anderen mündlichen Absprachen. Eine zeitliche Befristung der Mietzeit muss schriftlich erfolgen.

Ist bei einer Vermietung kein Mietvertrag vorhanden, so dürfen Vermieter*innen lediglich eine "Inklusivmiete" inkl. aller Neben- und Betriebskosten einfordern. Für eventuell entstehende Nachzahlungen an Nebenkosten müssen die Vermieter*innen alleine aufkommen. Desgleichen gilt auch für die anfallenden Schönheitsreparaturen während der Mietzeit und der sonst üblichen Renovierung bei Auszug nach Beendigung des Mietverhältnisses.

Eine Vermietung ohne Mietvertrag ist rechtlich unbedenklich, jedoch hat diese Form der Vermietung ohne Mietvertrag für die Vermieter*innen weit mehr Nachteile als bei einem schriftlichen Mietvertrag. Und im Fall von auftretenden Streitigkeiten zwischen den Parteien gilt die im BGB festgehaltene Beweispflicht. Um diesen vorzubeugen, sollten zumindest die wichtigsten Punkte des Mietverhältnisses schriftlich festgehalten werden.

Soweit die geltende Rechtslage. Da diese Form der Vermietung ohne Mietvertrag für die Vermieter*innen weit mehr Nachteile als bei einem schriftlichen Mietvertrag hat, es aber gleichzeitig der Entscheidung der Vermieter*innen obliegt, sieht der Gesetzgeber dort aktuell keinen Änderungsbedarf. Letztendlich ist also jeder Mensch in seiner Entscheidung frei, ob er oder sie auf ein vermeintlich dubioses Angebot eingeht oder doch lieber weiter sucht.

Um gegen die immer weiter steigenden Miet- und Wohnkostenerhöhungen und die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt vorzugehen, haben wir LINKEN Mitte Februar diesen Jahres zwei Anträge in den Deutschen Bundestag eingebracht, die ich zu Ihrer Information meiner Antwort beifüge.

In der Hoffnung, Ihnen erschöpfend geantwortet zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr Matthias W. Birkwald MdB

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