Frage an Matthias W. Birkwald von Hartmut M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Birkwald,
ich leide an einer Fibromyalgie. Zum besseren Verständnis senden ich Ihnen diesen Link mit:
http://de.wikipedia.org/wiki/Fibromyalgie
Außerdem habe ich eine Berufserkrankung und beziehe eine BU-Rente von einer Privatversicherung.
Die mir vom Amt angerechnet wird.
Weder bekomme ich hier einen Hausarzt (Patientenstopp), noch kann ich mir Fahrten zu Fachärzten leisten, die sich wirklich damit auskennen. Ärzte die für die Krankheit spezialisiert sind, nehmen oftmals ansehliche Zusatzsummen von ihren Kassenpatienten oder sie nehmen von vorneherein nur Privatpatienten.
Neben vielen Schichsalsschlägen und einen schwierigen Kindheit, nun das.
Da die Krankheit schlecht nachzuweisen ist, wird sie in Deutschland kaum anerkannt und viele Patienten stoßen auf Unverständnis.
Nun lese ich, dass 240.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland in 2014 geschaffen werden. Siehe diesen Link:
http://www.rp-online.de/wirtschaft/auch-2014-wird-es-keinen-job-boom-geben-aid-1.3708096
Aber nur 37.0000 sollen anegblich an deutsche Arbeitslose gehen.
Daher frage ich Sie, was Sie für mich tun könnten? Haben Sie schon mal von einer sogenannten "positiven Diskriminierung" gehört.
Man kann Behinderte und Kranke bevorzugt einstellen, wer, wenn nicht der Staat sollte das tun?
Es arbeiten so viele Menschen in den Verwaltungen, in den Ämtern und Rathäusern, die auch in der Freien Wirtschaft gut unterkommen könnten.
Warum hilft man Kranken nicht? Soll ich bis zu meinem Lebensende mit 36 Jahren so weiter machen?
Es scheint so, als gelte Menschlichkeit nur noch in Sonntagsreden.
Ich werde auf jeden Fall an die Öffentlichkeit gehen, wenn mir nicht endlich geholfen wird. Man erwartet von Kranken dass sie unter dem Existenzminimum, unter dem Hartz IV-Satz leben, nur weil sie zu Ärzten müssen.
Finden Sie diese Ausgrenzungen in Ordnung?
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Mayer
PS: Ich leide an bis zu 50 Fibromyalgiesymthomen! Möchte aber arbeiten!
Sehr geehrter Herr Mayer,
vielen Dank für Ihre Ausführungen, die mich sehr betroffen gemacht und etwas ratlos hinterlassen haben. Zunächst einmal handelt es sich bei Ihrem Problem nicht um ein Rentenpolitisches, denn das wäre mein Fachgebiet gewesen. Ihr Vorgang bezieht sich auf die Behindertenpolitik, insbesondere auf eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, sowie zu Teilen auch auf Gesundheitspolitik.
Um Ihre Frage klar zu beantworten: Selbstverständlich dürfen chronisch Kranke nicht ausgegrenzt und in die Armut geschickt werden. Auch für sie gilt der Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Um Armut zu verhindern haben wir unter anderem das Konzept einer sanktionsfreien sozialen Mindestsicherung entwickelt. Sie finden es hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/006/1700659.pdf
Wenn ich Ihre weiteren Vorschläge richtig verstanden habe, möchten Sie u.a., dass der Staat veranlasst, dass Menschen ohne Behinderung ihren Job in einer Verwaltung, einem Amt oder einem Rathaus zu Gunsten von Menschen mit Behinderungen kündigen und sich eine neue Arbeit in der Freien Wirtschaft suchen? Sollte meine Deutung richtig sein, muss ich Ihnen allerdings sagen, dass Sie mit dieser Forderung in der Öffentlichkeit (an die Sie sich wenden wollen) sehr wahrscheinlich ein großes Akzeptanzproblem bekommen werden; und das nicht nur bei Menschen ohne Behinderung.
Ihrer Idee einer „positiven Diskriminierung“ sind wir LINKEN mit unserem Vorschlag, einen Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einzurichten, bereits gefolgt. Sie finden unsere in den Bundestag eingebrachten beiden Anträge hier:
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/013/1701397.pdf
und
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/123/1712377.pdf
Übrigens: In Teil 2 des IX. Sozialgesetzbuches (Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen – Schwerbehindertenrecht) ist bereits geregelt, dass schwerbehinderte Menschen bei Neueinstellungen zu bevorzugen sind.
Hier der entsprechende Auszug aus dem Gesetzestext:
„Kapitel 2 Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber - § 71 Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen:
(1) Private und öffentliche Arbeitgeber (Arbeitgeber) mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 haben auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. Abweichend von Satz 1 haben Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 40 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat einen schwerbehinderten Menschen, Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 60 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen….“
DIE LINKE setzt sich schon seit jeher für die Rechte und gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen ein. So fordern wir z.B. die Verbesserung der Stellung von Menschen mit schweren sog. geistigen und Mehrfachbehinderungen, psychischen Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen. Bis zum Ende der vergangenen Legislaturperiode hat dies in Person Ilja Seifert mit großem Einsatz und Erfolg getan, ( http://www.linksfraktion.de/themen/behinderungen-menschen/ ). (Leider ist er in der 18. Legislaturperiode nicht wieder in den Deutschen Bundestag eingezogen. Ab Ende Januar wird nunmehr eine Kollegin das Thema Behindertenpolitik neu federführend übernehmen und die bisherige erfolgreiche Arbeit weiterführen.)
Sie führen in Ihrer Frage unter anderem aus, dass Sie trotz rund 50 Fibromyalgiesymptomen arbeiten möchten. Dafür zolle ich Ihnen meinen vollen Respekt!
Bis auf die Bezeichnung Ihrer Krankheit haben Sie aber keinerlei persönliche Angaben, wie z.B. Ausbildung, berufliche Laufbahn usw. gemacht. Damit kann ich bedauerlicherweise nicht einschätzen, in welchem Berufszweig Sie aktiv nach einem Job recherchieren könnten. Desweiteren fehlen z.B. auch die Angaben, ob Ihre Krankheit als Behinderung anerkannt wurde, Sie einen Behindertenausweis haben und wenn ja, welcher Grad der Behinderung eingetragen ist.
So bleibt mir erst einmal nur der Vorschlag, dass Sie sich an eine Erwerbslosenberatungsstelle in Ihrer Umgebung wenden mögen, um evtl. Möglichkeiten einer zu Ihnen passenden Arbeit auszuloten. In Tuttlingen habe ich über die Homepage der Landesarbeitsgemeinschaft der Arbeitslosentreffs und Arbeitslosenzentren in Baden-Württemberg z.B. das Zentrum für Arbeitslose ausfindig machen können. Weitere Infos dazu finden Sie hier: http://www.zfa-tuttlingen.com/
Beim SoVD-Landesverband Baden-Württemberg, Mundenheimer Straße 11, 68199 Mannheim, Telefon: 0621 - 8 41 41 72, Telefax: 0621 - 8 41 41 73, E-Mail: info@sovd-bawue.de, Internet: http://www.sovd-bawue.de gibt es sicher ebenfalls Unterstützung für Sie.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Kraft, Mut und vor allem viel Erfolg bei Ihrem Kampf, Ihr Menschenrecht auf Arbeit einzufordern.
Mit solidarischen Grüßen
Ihr Matthias W. Birkwald