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Matthias W. Birkwald
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Frage von Wolfgang M. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Wolfgang M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Birkwald

nächste Woche will der Bundestag über die PID-Zulassung abstimmen. In einem Rundbrief Ihrer Partei haben Sie vor 1 Woche Ihre Position und Kenntnisse zur PID dargelegt. Können Sie mir bitte noch rechtzeitig vor der Abstimmung folgende Fragen zur PID beantworten:

- Glauben Sie, dass in dem Gesetz, das Sie befürworten, tatsächlich die PID klar geregelt ist und das die Formulierungen rechtssicher sind?

- Wie erklären Sie die unterschiedlichen Auslegungen schon im Kreise Ihrer Abgeordneten und Kollegen von Ihrem Gesetzaufschlag, wo einer meint, die Dreierregelung muss dafür abgeschafft werden und andere meinen, das das nicht nötig ist? Was ist Ihre Meinung dazu, und was steht denn genau in Ihrem Gesetz?

- Wie erklären Sie die unterschiedlichen Auslegungen im Kreise Ihrer Abgeordneten und der Kollegen von Ihrem Gesetzaufschlag, wo eine meint, Erkrankungen, die oft erst später im Leben auftreten, werden von Ihrem PID-Gesetz auf keinen Fall umfasst, und andere aus dem Kreis Ihrer Autoren meinen genau das Gegenteil? Was glauben Sie, was Ihr Gesetz dazu vorschreibt?

- Glauben Sie als kritischer Linker wirklich, dass eine Beratung durch Reproduktionstechnikärzte „unabhängig“ sein kann, wo diese Mediziner ein massives Eigeninteresse am Ausbau der Technik haben?

- Wo Sie auf internationale Erfahrungen und besonders auf Frankreich zeigen, wie gut dort alles geregelt sein soll: Kennen Sie den Fakt, dass in Frankreich erlaubt wurde, Kinder zu erzeugen, um einen Spender oder auch ein Ersatzteil für Bruder oder Schwester zu erhalten?

- Unter dem Kapitel „Selektion oder Nicht-Selektion“ vergleichen Sie PID mit der „Pille danach“. Können Sie mir bitte erklären, was die „Pille danach“ mit einer Selektion, mit der Auswahl von lebenswert oder nicht lebenswert, zu tun haben kann?

Es wäre schön, wenn Sie diese wichtigen Fragen vor der Stimmabgabe beantworten könnten.

Vielen Dank
W. Müller

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DIE LINKE

Sehr geehrtes Team von Abgeordnetenwatch,

Matthias W. Birkwald beantwortet die Anfrage von Herrn Wolfgang Müller wie folgt:

„Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre aufmerksamen Fragen an den von mir unterstützten Gesetzentwurf für ein grundsätzliches Verbot der PID, der wenige Ausnahmen klar regelt.

Frage 1: Glauben Sie, dass in dem Gesetz, das Sie befürworten, tatsächlich die PID klar geregelt ist und das die Formulierungen rechtssicher sind?

Um diese Fragen zu beantworten, führen die Ausschüsse des Bundestages Fachanhörungen zu vorliegenden Gesetzentwürfen durch. Im Falle der PID fand die Anhörung im Gesundheitsausschuss statt und hat mehrere Änderungsanträge zu dem von mir unterstützten Antrag nach sich gezogen. Darunter befinden sich Korrekturen aus medizinischer Sicht, vor allem aber aus der Sicht der Rechtsklarheit und -systematik. Bspw. setzt eine Änderung die Anregung aus der Anhörung durch, direkt im Gesetz Eckpunkte zur Beratung der Paare, Ausgestaltung der Ethikkommissionen und Monitoring der PID zu verankern, die zuvor nur in der Begründung ausgeführt waren. Nach der Anhörung und den Änderungen sehe ich keinen Grund, die Rechtssicherheit des Gesetzentwurfes anzuzweifeln.

Frage 2: Wie erklären Sie die unterschiedlichen Auslegungen schon im Kreise Ihrer Abgeordneten und Kollegen von Ihrem Gesetzaufschlag, wo einer meint, die Dreierregelung muss dafür abgeschafft werden und andere meinen, das das nicht nötig ist? Was ist Ihre Meinung dazu, und was steht denn genau in Ihrem Gesetz?

Da es zu fast jedem juristischen Sachverhalt mehrere Fachmeinungen gibt, verwundert nicht, dass es unter NichtjuristInnen ähnlich aussieht. Tatsächlich war die Regelung der Dreierregelung vor der Anhörung mit einem Fragezeichen versehen. Doch nach einer in der Literatur verbreiteten Auffassung (z.B. Günther/Taupitz/Kaiser, EschG, 2008) ist davon auszugehen, dass schon das geltende Embryonenschutzgesetz keine strikte Dreier-Regel enthält, sondern FortpflanzungsmedizinerInnen innerhalb eines Zyklus so viele Befruchtungsversuche unternehmen dürfen, wie nötig sind, um die für die Übertragung vorgesehene Zahl von Embryonen zu bekommen. Entsprechend ist eine Erweiterung, die z.B. im Röspel/Hinz/Meinhardt/Lammert-Entwurf vorgesehen ist, nicht notwendig.

Frage 3: Wie erklären Sie die unterschiedlichen Auslegungen im Kreise Ihrer Abgeordneten und der Kollegen von Ihrem Gesetzaufschlag, wo eine meint, Erkrankungen, die oft erst später im Leben auftreten, werden von Ihrem PID-Gesetz auf keinen Fall umfasst, und andere aus dem Kreis Ihrer Autoren meinen genau das Gegenteil? Was glauben Sie, was Ihr Gesetz dazu vorschreibt?

Der Gesetzentwurf macht explizit keine Unterscheidung zwischen den sogenannten spätmanifestierenden, also später im Leben auftretenden und den nicht spätmanifestierenden Erkrankungen, da sie fast immer nur als statistische Wahrscheinlichkeit existiert. D.h., dass es bei einigen schwerwiegenden Erkrankungen zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit gibt, erst im Erwachsenenalter zu erkranken, ein nicht unwesentlicher Teil aber bereits als Kleinkind betroffen ist. Eine der ganz wenigen Ausnahmen ist die sehr seltene Chorea Huntington, die in der Regel um das 40. Lebensjahr ausbricht und immer als Beispiel für spätmanifestierende Erkrankung von den KritikerInnen genannt wird. Da es aber eben kaum weitere Beispiele für solch eine Kategorie gibt, haben wir auf eine explizite Regelung dazu verzichtet.

Frage 4: Glauben Sie als kritischer Linker wirklich, dass eine Beratung durch Reproduktionstechnikärzte „unabhängig“ sein kann, wo diese Mediziner ein massives Eigeninteresse am Ausbau der Technik haben?

Diesen richtigen Hinweis hatte die Einreicherin des Gesetzentwurfs seitens der LINKEN, Petra Sitte, in die Beratung des Entwurfs eingebracht. Um eine unabhängige Beratung zu gewährleisten, soll die psychosoziale und humangenetische Beratung der Paare explizit vor dem eigentliche Verfahren zur PID-Zulassung stattfinden. ReproduktionsmedizinerInnen werden erst in der Ethikkommission an den zugelassenen PID-Zentren herangezogen werden.

Frage 5: Wo Sie auf internationale Erfahrungen und besonders auf Frankreich zeigen, wie gut dort alles geregelt sein soll: Kennen Sie den Fakt, dass in Frankreich erlaubt wurde, Kinder zu erzeugen, um einen Spender oder auch ein Ersatzteil für Bruder oder Schwester zu erhalten?

Frankreich hat einen dezentralen institutionellen Ansatz gewählt, der im Vergleich zu Belgien oder England die Entscheidung über die PID-Zulassung zum einen deutlich stärker von der individuellen Situation der betroffenen Paare macht und zum anderen gewährleistet, dass neue Erkenntnisse in Humangenetik und therapeutischer Medizin direkt in die Zulassungsverfahren einfließen können. In Belgien beispielsweise erfolgt die Zulassung zentral durch eine Behörde und gilt dann für alle kommenden Anfragen zur gleichen Erkrankung. Das will unser Gesetzentwurf, der nicht an Krankheitsbildern, sondern an der individuellen psychosozial-medizinischen Geschichte von Paaren ansetzt, ausdrücklich nicht.

Neben den Zulassungsverfahren ist für die Frage, was in Zukunft erlaubt sein wird, vor allem die geltende gesetzliche Einschränkung entscheidend. Nach dem von mir unterstützten Gesetzentwurf wird eine PID für ein "Rettungsgeschwisterkind" nicht erlaubt sein, da hier die PID auf die Identifikation von genetischen Erkrankungen ein-geschränkt wird. Um eine/n potenzielle/n Spender/in zu identifizieren, müssen aber genetische Übereinstimmungen mit dem erkrankten Kind überprüft werden. Das ist nach unserem Entwurf nicht erlaubt.

Frage 6: Unter dem Kapitel „Selektion oder Nicht-Selektion“ vergleichen Sie PID mit der „Pille danach“. Können Sie mir bitte erklären, was die „Pille danach“ mit einer Selektion, mit der Auswahl von lebenswert oder nicht lebenswert, zu tun haben kann?

Viele GegnerInnen der PID argumentieren, dass es gegen die Menschenwürde verstoße, wenn ein Teil der entstandenen Embryonen wieder verworfen und damit unter Umständen wieder getötet wird. Die "Pille danach" ist ein Beispiel für mehrere Verfahren, die das nach Abwägung der Grundrechtspositionen des Embryo und der Frau bereits heute erlauben. Während die morphologische Selektion oder die Polkörperdiagnostik eine explizite Auswahl beinhaltet, ist das bei der "Pille danach" in der Tat nicht der Fall.

In der Hoffnung, Ihre Fragen umfassend beantwortet zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Matthias W. Birkwald, MdB

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