Das LfF schreibt, dass die Beamten in Bayern durch die fiktive Anrechnung eines Partnereinkommens wieder angemessen Alimentiert werden. Wo Ausgleich Beantragen?
Guten Tag,
Das Gesetz zur Neuausrichtung orts- und familienbezogener Besoldungsbestandteile vom 10.03.2023 soll der Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 dienen. Hierbei wird auf das Mehrverdienermodel verwiesen und durch die Anrechnung eines Partnereinkommens seien die Beamten angemessen Alimentiert.
Logische Konsequenz ist, wenn das Einkommen des Partners erheblich niedriger ist, dass nicht angemessen Alimentiert wird und das Urteil vom 4. Mai 2020 somit auch nicht umgesetzt wird.
Deshalb die Frage, wo und wie in Bayern der Differenzbetrag zum fiktiven Partnereinkommen beantragt werden kann?
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich gerne antworten werde.
Die mit dem Gesetz zur Neuausrichtung orts- und familienbezogener Besoldungsbestandteile vom 10. März 2023 herangezogene neue Bezugsgröße der Mehrverdiener-Familie und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Typisierung des Partnereinkommens steht mit den durch das Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 4. Mai 2020 (2 BvL 4/18 u. 2 BvL 6/17 u.a.) aufgestellten Vorgaben im Einklang. Dementsprechend ist die von Verfassungs wegen gebotene Mindestalimentation auch in solchen Fallgestaltungen gewahrt, in denen möglicherweise kein oder nur ein geringeres Partnereinkommen als die typisiert herangezogenen Beträge vorhanden ist. Ausgleichsansprüche bestehen insoweit nicht. Im Einzelnen:
Mit dem Gesetz zur Neuausrichtung orts- und familienbezogener Besoldungsbestandteile vom 10. März 2023 wurden die familienbezogenen Be-standteile der bayerischen Besoldung an die seitens des Bundesverfassungsgerichts mit Beschlüssen vom 4. Mai 2020 aufgestellten Anforderungen angepasst und systematisch neu ausgerichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den genannten Beschlüssen ist es Teil des weiten Gestaltungsspielraums des Besoldungsgesetzgebers, die Bezugsgröße für die Bestimmung der orts- und familienbezogenen Bezügebestandteile an die tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. So ist die vierköpfige Alleinverdiener-Familie keine zwingend verfassungsrechtlich gebotene Berechnungsgrundlage der Beamtenbesoldung. In den Worten des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich vielmehr lediglich um eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4. Mai 2020, Az. 2 BvL 4/18, Rn. 47). Um die gesellschaftliche Situation realitätsgerecht widerzuspiegeln, ist die Mehrverdiener-Familie als neue Bezugsgröße grundsätzlich geeignet. Die hierfür herangezogenen und in der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 18/25363, S. 20) benannten Datensätze des Statistischen Bundesamtes belegen diese Entwicklung auf statistisch repräsentative Weise. Das Bundesverfassungsgericht rekurriert auf das Grundsicherungsrecht als Vergleichsgröße für die Mindestalimentation. Dort wird im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft weiteres Einkommen und sogar vorhandenes Vermögen in erheblichem Umfang berücksichtigt. Eine Berücksichtigung des vom anderen Elternteil geleisteten Beitrages zum Familieneinkommen ist somit auch im Besoldungsrecht sachgerecht.
Der vom anderen Elternteil beigesteuerte Beitrag zum Familieneinkommen ist notwendigerweise zu typisieren. Eine Bezugnahme auf den in der Beihilfe herangezogenen Einkommensgrenzbetrag in Höhe von 20.878 € brutto im Jahr 2024 (20.000 € brutto im Jahr 2023) aus Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG bietet sich an, da es sich um eine im Beamtenbereich bewährte Größe handelt, bei welcher der Gesetzgeber ausweislich vorliegender, in der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 18/25363, S. 21) genannter statistischer Daten zu den auf berücksichtigungsfähige Ehegatten entfallenden beihilfefähigen Aufwendungen starke Anhaltspunkte dafür hat, dass die ganz überwiegende Mehrheit der berücksichtigungsfähigen Ehegatten eine an diesen Voraussetzungen gemessene, eigene wirtschaftliche Absicherung innehat.
Die gesetzliche Neuregelung geht bei dieser Typisierung sehr vorsichtig und für die Beamtinnen und Beamten vorteilhaft vor, unter anderem um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das tatsächlich zur Verfügung stehende weitere Einkommen von vielen Faktoren im jeweils konkreten Einzelfall abhängt.
So wird das typisiert zu berücksichtigende weitere Einkommen – wie der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 18/25363, S. 23 f.) und der darin dargestellten beispielhaften Vergleichsrechnung zu entnehmen ist – zunächst durch Abzug der darauf entfallenden Steuerbelastung bei Steuerklasse V sowie pauschal weiteren 20 % des gesamten weiteren Einkommensbetrags zur Abgeltung von Sozialabgaben wie Kranken- und Arbeitslosenversicherung etc. auf einen Netto-Betrag heruntergerechnet. Der pauschale Abzug für Sozialabgaben erfolgt dabei inkl. Berücksichtigung einer Krankenversicherung, obwohl auf Beamtenseite bei der Vergleichsrechnung zu dessen Gunsten dennoch Beiträge für eine die Beihilfe ergänzende Krankenversicherung für die gesamte Familie in Abzug gebracht werden. Nach diesen Abzügen verbleibt – wie in der Vergleichsrechnung in der Gesetzesbegründung geschildert – für das Jahr 2022 beispielsweise ein Netto-Betrag des zu berücksichtigenden weiteren Einkommens in Höhe von 12.736 €.
Typisierungen dürfen und müssen in entsprechendem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles außer Acht lassen. Die Grenzen des Typisierungsspielraumes bleiben gewahrt, soweit die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung zwangsnotwendigerweise verbundenen Ungleichheit stehen und sich die gesetzliche Typisierung an keinen atypischen Sachverhalt, sondern realitätsgerecht am typischen Fall als Leitbild orientiert. Diese Voraussetzungen hält die gesetzliche Neuregelung, welche sich auf Basis einer objektiven, statistischen Grundlage an einem typischen Leitbild orientiert und dabei dennoch zurückhaltend und für die Betroffenen vorteilhaft vorgeht, ein.
Auch das Bundesverfassungsgericht selbst greift in den zugrundeliegenden Entscheidungen auf Typisierungen zurück. Beispielsweise hinsichtlich der Bestimmung der heranzuziehenden grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft, bei welchen das Bundesverfassungsgericht aus mehreren verfügbaren Datengrundlagen das sog. „95 %-Perzentil“ wählt, wodurch die Kosten der Unterkunft in lediglich 95 % der Fälle realitätsgerecht abgebildet werden, während statistische Ausreißer, die auf besonderen Ausnahmefällen beruhen, außer Betracht bleiben.
Die Grenzen einer zulässigen Typisierung sind insofern auch ohne Regelung für möglicherweise verbleibende Alleinverdiener-Familien gewahrt. Insoweit ist eine Erstattung von etwaigen Differenzbeträgen in Fallgestaltungen, in denen das Partnereinkommen geringer ist als die typisiert herangezogenen Beträge, zur Wahrung der von Verfassungs wegen gebotenen Mindestalimentation verfassungsrechtlich weder geboten noch notwendig. Vielmehr wäre es fraglich, ob eine solche Korrektur im Einzelfall ihrerseits mit dem im verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz wurzelnden Folgerichtigkeitsgebot vereinbar wäre. Zudem würde eine solche Vorgehensweise einen nicht vertretbaren, erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand darstellen und eine bis auf den einzelnen Zahlfall heruntergebrochene neue Alimentationsbürokratie auslösen.
Darüber hinaus sind die Tabellenbeträge des Orts- und Familienzuschlags auch nicht so bemessen, dass in den häufig vorkommenden Familien-, Wohnort- und Einkommenskonstellationen ein weiteres Einkommen in voller Höhe dieses typisiert herangezogenen Betrags zur Wahrung des Mindest-abstands zur Grundsicherung erforderlich ist. Vielmehr ist gerade in diesen häufig vorkommenden Konstellationen bereits ein deutlich darunterliegendes, weiteres Familieneinkommen ausreichend.
Und nicht zuletzt verkennt der Besoldungsgesetzgeber auch nicht, dass die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit des anderen Elternteils mit steigender Familiengröße im Hinblick auf den Aufwand zur Betreuung von Kindern mit immer größeren Herausforderungen verbunden ist. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurde der Orts- und Familienzuschlag ab dem vierten Kind zusätzlich um einen nach den Ortsklassen gestaffelten Zuschlag im Bereich von ca. 20 % bis ca. 45 % (abhängig vom Wohnort) je viertem und weiterem Kind gegenüber dritten Kindern erhöht, welcher wiederum selbst bereits deutlich über den Zuschlägen für die ersten beiden Kinder liegt.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Brunnhuber