Frage an Markus Uhl von Siegmund J. bezüglich Bundestag
Sehr geehrter H. Uhl,
auch wenn im Moment das Corona-Virus das ganze politische Leben auszufüllen scheint,
gibt es auch noch andere wichtige Themen. Dazu gehört meiner Meinung nach auch unser aufgeblähter Bundestag! Mit unseren rund 82 Mio. Bürgern leisten wir uns das zweitgrößte Parlament weltweit. Nur die Chinesen (ca. 1.3 Mrd. Menschen) haben ein größeres.
Das muss doch auch den Abgeordneten auffallen.
Meiner Meinung bedeutet in diesem Fall Masse nicht gleich Klasse!!
Auch unser Bundestagspräsident Dr. Schäuble hat dies schon mehrfach angemahnt!
Warum können sich die geschätzten Abgeordneten nicht auf z.B. eine Verkleinerung der Wahlkreise einigen, um eine weitere, sorry, Abgeordentenflut zu verhindern.
Mein Vorschlag wäre auch noch, das Mehrheitswahlrecht gegenüber dem Verhältniswahlrecht überzugewichten, um die dadurch entstehenden Überhangmandate einzudämmen!
Wie gesagt: Masse bedeutet nicht gleich Klasse. Ich hoffe, auch die Abgeordneten erkennen, daß, wenn nichts passiert, der Bundestag in den nächsten Jahren den 1000. Abgeordneten "feiern" wird.
Ich würde mich über eine Antwort, auch in Coronazeiten, freuen!
Mit freundlichen Grüßen
S. J.
Sehr geehrter Herr Jedrzej,
zunächst vielen Dank für Ihre Anfrage zur Reduzierung der Anzahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Das Thema ist ein wichtiger Punkt auf unserer Agenda, den wir Parlamentarier fraktions- bzw. parteiübergreifend angehen. Originär sollte der Bundestag 598 Mitglieder haben. Dies ist die gesetzlich normierte Größe, auf die die Anzahl der Abgeordneten mit Beginn der 15. Wahlperiode (2002-2005) reduziert wurde. Bei der jüngsten Bundestagswahl 2017 gab es allerdings so viele Überhang- und Ausgleichsmandate, dass die Anzahl aller Abgeordneten bei nunmehr 709 liegt. Der Deutsche Bundestag hatte zur Wahl 2013 die Regelung eingeführt, dass Überhangmandate jeweils ausgeglichen werden müssen. Dazu wird die Anzahl der Sitze so lange erhöht, bis die Fraktionen jeweils die Größe erreichen, die dem Anteil der Parteien an den Zweitstimmen entspricht. Hintergrund dieser Änderung war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2012, wonach unausgeglichene Überhangmandate nur noch begrenzt zulässig sind (siehe dazu bitte BVerfGE 131, 316 – 376 bzw. 2 BvF 3/11).
Die Arbeitsgruppe, die über eineinhalb Jahre eine Verkleinerung der Personenstärke der Parlamentsmitglieder erarbeitet hat, beendete ihre Arbeit Anfang April 2019 ohne eine Einigung. Auch in der letzten Legislaturperiode Ende 2016, Anfang 2017 scheiterte eine Arbeitsgruppe, die das gleiche Ziel verfolgt hatte. So kommt es zur aktuellen Rekordanzahl der Mitglieder des Bundestages.
In der Tat ist eine gute und faire Lösung nicht einfach. Natürlich könnte man die Anzahl der Wahlkreise verringern und damit für deutlich weniger Direktmandate sorgen, für die dann gleichzeitig auch die Ausgleichsmandate entfielen. Die Kehrseite wäre allerdings, dass bei größeren Wahlkreisen auch die Distanz zwischen den Abgeordneten und den Bürgern größer werden würde. In Stadtstaaten wäre es vielleicht noch machbar, wenn man etwa dem Wahlkreis in Berlin-Mitte auch noch Charlottenburg zuschlagen würde. Für Flächenländer würde es hingegen jedoch deutlich schwieriger, Kontakt mit allen Regionen des Wahlkreises zu halten und sich sachgerecht um die Probleme der Bürger vor Ort zu kümmern.
Ich persönlich halte durchaus auch ein so genanntes „Grabenwahlsystem“ für sachgerecht, bei denen ein „Graben“ zwischen den Direkt- und den Listenmandaten herrscht. Das heißt, die Direktmandate werden nicht auf die Listenmandate angerechnet, es gäbe dann also auch keine Ausgleichsmandate, die die Gesamtanzahl der Abgeordneten in die Höhe treiben. Auf diese Weise ließe sich die Anzahl der Mitglieder des Bundestages signifikant senken. Diesen Vorschlag tragen jedoch die anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag nicht mit. Daher wird derzeit an einem Kompromiss gearbeitet, welcher die Reduktion der Wahlkreise und zugleich eine Begrenzung von Ausgleichs- und Überhangmandaten vorsieht.
Insgesamt ist das Thema der Reduktion der Abgeordnetenzahl nicht vom Tisch. Ich setze mich dafür ein, eine ebenso sinnvolle wie konsensuale Lösung zu finden, die von den Fraktionen im Haus mitgetragen wird. Insofern noch einmal danke für Ihr Schreiben, in dem Sie (zurecht) auf eine nun kurzfristige Lösung zur Verkleinerung drängen.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Uhl