Frage an Markus Uhl von Heike R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Uhl,
falls sich, wider erwarten unserer Politiker, herausstellen sollte, dass es den Briten ohne EU besser geht,
würde ich mir sehr wünschen, dass wir dann auch Austreten und, ähnlich GB, umfangreiche, für uns ebenso vorteilhafte, Verträge mit dieser EU aushandeln, wie sie den Briten zugestanden werden.
Werden Sie dann zum Austritt eine Volksbefragung bei uns in Deutschland unterstützen, was ich zutiefst demokratisch fände?
Noch eine Frage, man hört gar nichts mehr über Restzahlungen der Briten. Wieviel Milliarden müssen und vor allen werden dann auch vonden Briten noch in den EU Topf überweisen und bis wann ????
Warum muss Deutschland jetzt noch mehr Netto zahlen, anstatt dass die EU mal zu sparen beginnt?
Mit freundlichem Gruß
H. R.
Sehr geehrte Frau Rogall,
zunächst vielen Dank für Ihre Frage zu den Konsequenzen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union. Zwar bin ich kein EU-Parlamentarier, sondern Mitglied des Deutschen Bundestages und dort tatsächlich nicht im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Ich gehöre stattdessen dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur an und bin darüber hinaus ständiger Vertreter im Haushaltsausschuss. Bezüglich letzterem habe ich zwar durchaus mit Fragen des Haushalts zu tun, allerdings bezieht sich mein Bereich als Berichterstatter dort auf den so genannten "Einzelplan 07", der sich mit Justiz und dem Verbraucherschutz befasst. Nichtsdestotrotz möchte ich Ihnen gerne meine Sicht der Dinge hinsichtlich Ihrer Frage kundtun.
Die Kritik, die hinter Ihren Anmerkungen steht, bezieht sich im Kern auf die Frage, wieviel Geld Deutschland in die Europäische Union investiert und wieviel es von dort zurückbekommt. Die aktuellsten Zahlen der nationalen Beiträge der Mitgliedsstaaten zum Haushalt im Jahr 2018 finden sich unter diesem Link: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155196/umfrage/die-zehn-wichtigsten-beitragszahler-im-eu-haushalt-2010/ Daraus geht er hervor, dass Deutschland wie gehabt den höchsten nationalen Beitrag zum EU-Haushalt leistet, nämlich rund 25,3 Milliarden Euro. Einem weiteren Diagramm können Sie entnehmen, wie die Ausgaben im Haushalt der EU nach Mitgliedstaaten 2018 aussahen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163655/umfrage/ausgaben-der-eu-nach-laendern/ . Hier rangiert Deutschland mit rund 12 Milliarden Euro auf dem vierten Platz nach Polen (16,35 Milliarden Euro), Frankreich (14,78 Milliarden Euro) und Spanien (12,78 Milliarden Euro). Sie sehen Frau Rogall, Deutschland bekommt also auch eine ganze Menge an Geld von der EU zurück. In einer Übersicht der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland können Sie genau nachvollziehen, welche Projekte und Programme von der EU in Deutschland und auch in Ihrem Bundesland gefördert werden. Dabei geht es unter anderem um Förderungen im Bereich der Regional- und Stadtentwicklung, der Beschäftigung und sozialen Eingliederung, der Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums, der Meeres- und Fischereipolitik oder auch der Forschung. Sie finden die Übersicht hier: https://ec.europa.eu/germany/eu-funding/grants_de
Und Sie haben recht: Dadurch, dass Großbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten ist, müssen die verbleibenden Ländern nun etwas mehr zahlen. Durch den Brexit fehlen pro Jahr 12 Milliarden Euro im Budget.
Mit Blick auf den kommenden so genannten "mehrjährigen Finanzrahmen", kurz "MFR", also den langfristigen Haushaltsplan der EU, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits im Oktober 2019 klargestellt, dass man "über eine faire Lastenteilung und einen Rabatt für Deutschland sprechen" müsse. Sie betonte, die Vorschläge für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021-2027 belasteten Deutschland "übermäßig stark". Finnland hatte bis Ende 2019 die Ratspräsidentschaft inne und schlug vor, dass die EU 1,087 Billionen Euro in den Jahren 2021 bis 2027 ausgeben soll, das sind 1,07 Prozent der jährlichen europäischen Wirtschaftsleistung (ein Plus von 0,4 Prozentpunkten). Der Vorschlag der EU-Kommission liegt über dem Finnlands, nämlich bei 1,11 Prozent, das Europarlament möchte 1,3 Prozent.
Ende Februar fand eine Sondertagung des Europäischen Rates statt. In seiner Einladung dazu schreibt Ratspräsident Charles Michel: "Mir ist vollkommen bewusst, dass diese Verhandlungen zu den schwierigsten gehören, die wir führen müssen. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass wir mit gesundem Menschenverstand und Entschlossenheit zu einer Einigung gelangen können, die allen Europäerinnen und Europäern zugute kommt."
Ich bin ohne jeden Zweifel sicher, dass Bundeskanzlerin Merkel in diesen Verhandlungen konsequent für unsere Interessen einstehen wird und zusammen mit unseren europäischen Partnern sehr intensiv über eine faire Lastenverteilung und insbesondere auch über einen Rabatt für Deutschland sprechen wird.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Markus Uhl