Frage an Markus Kurth von Ulrich M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Kurth,
die Ausländerpolitik in unserem Land führt nicht nur für viele unschuldig in Not geratene Imigranten zu menschenunwürdigen Bedingungen in unserem Land - Sie erhalten keine Arbeitserlaubnis oder müssen sich zu ausbeuterischen Bedingungen anbieten - auch nach mehr als 8-jährigem Aufenthalt erhalten sie keine verlässliche Perspektive. Ich kenne Afrikaner, die mit 16 Jahren herkamen und nun mit 23 immer noch die Abschiebung fürchten müssen, obwohl sie alles taten, um sich zu integrieren.
Meine Tochter hat sich in einen Kamerunischen Studenten verliebt - unser Staat bringt sie nun in große Konflikte: Heiraten ist eigentlich keine freie Entscheidung mehr! Nicht-Heiraten stürzt in Gewissenskonflikte, da damit u.U. Abschiebung und entzug der Existensgrundlagen für den nun schon über 6 Jahre vertrauten Partner verbunden ist.
Was wollen Sie für ein gerechteres und menschlicheres Deutschland tun?
Sehr geehrter Herr Möller,
Rot-Grün wollte mit dem Zuwanderungsgesetz zum einen erreichen, dass möglichst viele Personen, die bislang lediglich eine Duldung erhielten, künftig ein rechtmäßiger Status erteilt würde. Personen, die von nichtstaatlicher bzw. geschlechtsspezifischer Verfolgung geflohen sind (und die bislang in Deutschland nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden) bzw. solche mit rechtlichen Abschiebungshindernissen, erhalten daher jetzt nach §25 Abs. 2 und 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis.
Zum anderen andern aber wollte Rot-Grün auch die elende Praxis von Kettenduldungen deutlich einschränken - über 200.000 Menschen leben in Deutschland teilweise über zehn Jahre mit einer solchen Duldung, die ihnen eine Integrationsperspektive in unserem Land verbaut. DuldungsinhaberInnen sollten daher nach 18 Monaten eine rechtmäßige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die vorläufigen Anwendungshinweise die das Bundesinnenministerium (BMI) zum Aufenthaltsgesetz erlassen hat, stimmen jedoch nicht mit dieser Absicht des Gesetzgebers überein - sie konterkarieren diese sogar an einigen wichtigen Stellen. Aufgrund dieser Anwendungshinweise wird die beabsichtigte Abschaffung des Problems der Kettenduldung nicht annähernd erreicht. Die rot-grünen Koalitionsfraktionen haben gemeinsam dem BMI Änderungen vorgeschlagen, die das Ergebnis einer Fachanhörung von SPD und Grünen mit Richtern und Anwälten waren, um u. a. das Ziel der Einschränkung von Kettenduldungen zu erreichen. Wir sind erneut an den BMI nach dessen Bleiberechtsvorschlag für langjährig geduldete Kinder und Jugendliche herangetreten und hatten angeregt, dass die dortigen Überlegungen zum Kindeswohl in die Anwendungshinweise zu den §§ 25 Abs. 4 und 5 AufenthG aufgenommen werden.
Herr Möller, Sie sprechen das Problem des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Geduldete an - zu Recht. Nun, zum einen hat Rot-Grün mit der sog. Beschäftigungsverfahrensverordnung (die das das BMWA parallel zum Zuwanderungsgesetz erlassen hat) die Fristen für den gleichrangigen Arbeitsmarkzugang allgemein um zwei Jahre gesenkt hat. So erhalten z. B. Geduldete jetzt bereits nach vier (statt bisher sechs) Jahren Aufenthalt einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang. Auf der anderen Seite aber führen die o. g. Anwendungshinweise des BMI nun aber zu großen Problemen beim Arbeitsmarktzugang für Geduldete. Auch hier hatten wir dem BMI im Frühjahr bereits Änderungen vorgeschlagen mit dem Ziel, den Arbeitsmarktzugang für Geduldete zu gewährleisten.
Daneben haben sich Bündnis 90 / Die Grünen stets aber auch für eine sog. Bleiberechtsregelung für langjährig in Deutschland bereits lebende geduldete Personen eingesetzt. Wir bedauern, dass es - trotz des großen Engagements der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, von PRO ASYL und vielen Prominenten und trotz zweier Gesetzesvorschläge, die Bündnis 90 / Die Grünen hierzu in den Zuwanderungsgesetzverhandlungen vorgelegt hatte - nicht möglich war, innerhalb des Zuwanderungsgesetzes eine solche Bleiberechtsregelung zu erzielen. Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass eine Bleiberechtsregelung notwendig ist.
· Auf nachdrückliches Engagement von Bündnis 90 / Die Grünen haben sich sowohl der Petitions- als der Menschenrechtsausschuss des Bundestages im Oktober bzw. November 2004 für eine Bleiberechtsregelung ausgesprochen.
. Die Grüne Bundesdelegiertenkonferenz im Oktober 2004 hat zudem erklärt, dass "ein möglichst unbürokratischer Schlussstrich" notwendig ist: "Wer über 5 Jahre rechtmäßig in der Bundesrepublik lebt, soll hier bleiben und arbeiten können. Gerade bei hier aufgewachsenen Kindern ist eine Rückkehr nicht mehr zumutbar und kann auch nicht in unserem Interesse sein."
· Im Wahlprogramm von Bündnis 90 / Die Grünen heißt es daher: "Wir setzen uns ein für eine Bleiberechtsregelung. Insbesondere Kinder von Flüchtlingen, die einen Schulabschluss erreicht haben, müssen Zugang zu Ausbildungsplätzen erhalten, indem sie Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis haben."
Ein letztes Wort noch zu der Situation ihrer Tochter: Derartige - oftmals aus der Not geborenen - Überlegungen sind uns nur zu gut bekannt. Wir können ihrer Tochter nur raten, sich ihr Vorgehen reiflich zu überlegen. Empfehlenswert wäre eine Kontaktaufnahme mit dem "Verband binationaler Familien und Partnerschaften", der stets sehr gut informiert und berät (Bundesgeschätsstelle: Ludolfusstr. 2 - 4; 60487 Frankfurt / M.; T: 069 / 71 37 56-0; www.verband-binationaler.de
Mit freundlichen Grüßen
Markus Kurth