Frage an Markus Kurth von Klaus N. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Kurth,
Die Formulierung des Begriffs Organspendegesetz im Zusammenhang mit Widerpruchlösung ist meines Erachtens irreführend und benennt nicht den Kern der Ermächtigung. Es geht nicht um eine Spende (freiwillige, wohltätige Zuwendung unter Lebenden), sondern um eine Verpflichtung und nicht um ein Organ wie z.B. die Leber, sondern - nach den mir vorliegenden Informationen - um den ganzen Körper mit all seinen Gewebebestandteilen wie z.B. Knochenmehl.
Für Bürgerinnen und Bürger klar nachvollziehbar und verständlich wäre eine kurze und prägnante Formulierung wie: "Rechtliche Grundlage für das - auch vollständige - Zerlegen eines lebenden Körpers von Patientinnen und Patienten inklusive Portionierung in Einzelteile zum Zwecke der Verteilung an andere Patientinnen und Patienten, soweit kein Widerspruch den Explantationsärzten bekannt ist oder gefunden werden kann oder Angehörige ihre Zustimmung hierzu erteilen."
Meine Fragen:
Werden Sie diese begriffliche Aufklärung, zusammen mit Bildern und Beschreibungen der sogenannten Explantation z.B. https://www.welt.de/gesundheit/article161406539/Jemand-muss-sterben-damit-ein-anderer-leben-kann.html, in den Medien (Funk, Fernsehen, Print,..) vornehmen?
Werden Sie nachgelagert an diese Aufklärungskampagne in Ihrer Funktion als Mitglied des Gesundheitsausschusses, eine breite gesellschaftliche Diskussion zu dieser Aufklärung umfassend initiieren und persönlich in Ihrem Wahlkreis moderieren und begleiten?
Sehr geehrter Herr Nieder,
derzeit gilt für postmortale Organspenden in Deutschland die sog. „erweiterten Zustimmungsregelung“ (§ 3 TPG). Danach bedarf die Organentnahme nach dem Tod entweder der Einwilligung der/des
SpenderIn zu Lebzeiten oder – falls diese nicht vorliegt – der Zustimmung der nächsten Angehörigen. Die Zahl der Organspenden ist in Deutschland zuletzt weiter gesunken. Die Gründe für den Rückgang der Organspenden scheinen allerdings nicht in der fehlenden Unterstützung der Bevölkerung zu finden sein. Zwar hat die Transplantationsmedizin infolge der Skandale um manipulierte Wartelisten einen zeitweiligen Vertrauenseinbruch erlebt. Allerdings resultiert daraus keine dauerhafte Ablehnung der Organspende oder geringere Entscheidungsbereitschaft in der Bevölkerung: In einer Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2016 erklären sich 69% der Befragten grundsätzlich bereit, nach dem Tode Organe zu spenden; 54% würden diese Zustimmung auch für ihre Angehörigen erteilen. Diese Zahlen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, ebenso wie die Zahl der ausgefüllten Organspendeausweise. Dennoch ist die Zahl der realisierten Organspenden zeitgleich gesunken, was darauf hindeutet, dass die Ursachen an anderer Stelle im Transplantationssystem zu suchen sind.
Bei der derzeit diskutierten Widerspruchsregelung wird vorausgesetzt, dass jede Person, die sich nicht erklärt hat, automatisch einer Organentnahme nach ihrem Tod zustimmt. Menschen, die dies nicht
wünschen, müssen zu Lebzeiten ihren Widerspruch schriftlich festgelegt haben; teilweise wird vorgeschlagen, auch den Angehörigen des Spenders ein solches Widerspruchsrecht zu geben. Die Widerspruchslösung kehrt damit die bestehende Praxis um, führt jedoch nicht zu einer Verpflichtung zur Spende. Wer seine Organe nicht spenden möchte, kann der Spende jederzeit und ohne Nennung von Gründen widersprechen. An der Widerspruchslösung wird kritisiert, dass ihre Einführung nicht automatisch zu einer Erhöhung der Zahl der erfolgreichen Organspenden führen muss. Das zeigt der Vergleich mit unseren europäischen Nachbarländern. Außerdem könnten sich einige Menschen - trotz der unkomplizierten Möglichkeit eines Widerspruches - zu einer Organspende genötigt fühlen. Für die Widerspruchslösung spricht, dass Angehörige entlastet werden, neben der Trauer auch noch über eine solch fundamentale Frage entscheiden zu müssen. Auch kann die Widerspruchslösung dazu beitragen, dass sich mehr Menschen mit der Organspende und ihrem jeweiligen persönlichen Willen beschäftigen. Das kann zu einer breiteren und aufgeklärteren Diskussion über Organspenden führen.
Wir setzen uns schon jetzt für einen transparenten und aufgeklärten Umgang mit dem Thema Organspende ein. Die Aufklärungsarbeit zur Organspende muss dabei ergebnissoffen erfolgen. Seit 2012 sind Krankenkassen zudem verpflichtet, ihre Versicherten regelmäßig über das Thema Organspende zu informieren und aufzufordern, sich für oder gegen die Organentnahme zu entscheiden; eine Pflicht zur Erklärung gibt es bislang allerdings nicht (§ 2 TPG).
Mit freundlichen Grüßen
Markus Kurth