Frage an Markus Kurth von Heike R. bezüglich Senioren
Sehr geehrter Herr Kurth,
ich bin Geringverdienerin, kann mir Riester nicht leisten. Betriebsrente bekomme ich nicht.
Zinsen auf mein Sparbuch bekommen ich auch nicht mehr, da die maroden südeuropäischen Staaten den, uns bei Einführung als sicher versprochenen Euro, ruiniert haben, so zumindest meine persönliche Sichtweise.
1. Ist die Besteuerung der Renten verfassungskonform?
Immer mehr Rentner müssen auf Teile ihrer Rente Steuern zahlen, obwohl diese aus bereits versteuerten Rentenbeiträgen erwirtschaftet wurden und damit steuerfrei bleiben müssten. Ich spreche dabei von einer Doppelbesteuerung – und die ist verfassungswidrig. Doch anstatt das dafür verantwortliche Alterseinkünftegesetz zu ändern, spielt die Bundesregierung auf Zeit. Betroffene können nur an den Finanzgerichten klagen. Doch die Verfahren dauern viele Jahre und sind kompliziert. denn Rentner müssen die Steuerlast ihres gesamten Erwerbslebens nachweisen.
2. Finden Sie und die Grünen dies richtig? Was konkret werden Sie und die Grünen, wenn Sie denn in Regierungsverantwortung sind, noch in der in der kommenden Wahlperiode ändern?
Für Rüstung sollen 2 % des Haushaltes vorhanden sein; Für Migration wurden Milliarden sofort verfügbar gemacht; für Griechenland sind zig Milliarden für unsere Regierung kein Problem; wieso muss meine kleine Rente doppelt besteuert werden? Wenn das BVG so geurteilt hat, wieso wird dann nicht das Gesetzt für die Rentner geändert, die Pensionäre bekommen doch auch Vollversorgung ?
Können Sie verstehen, dass ich mein künftigesWahlverhalten davon abhängig mache, welche Partei die Rentenproblematik lösen wird, und zwar jetzt, nicht erst in einigen Jahren?
3. Halten Sie Politiker, die ein Problem vor Wahlen beschreiben und nach der Wahl nichts ändern, für Populisten? Oder sind nur von der Regierung abweichende Meinungen populistisch?
Mit freundlichem Gruß
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau R.,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Bitte entschuldigen Sie, dass Sie meine Antwort erst jetzt erreicht.
Eine Doppelbesteuerung ist in der Tat abzulehnen und, wir sind hier der gleichen Auffassung, verfassungsrechtlich nicht zulässig. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Nichtannahmebeschlusses am 29. September 2015 bestätigt. Im von Ihnen angesprochenen Alterseinkünftegesetz ist eine doppelte Besteuerung nach meiner Auffassung allerdings dem Grunde nach nicht angelegt. Das Gesetz geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 zurück, mit dem der Gesetzgeber aufgefordert wurde, zukünftig Pensionen und Renten steuerlich gleich zu behandeln (BVerfG-Entscheidung 105, 73-135). Die Folge: Ab 2040 werden gesetzliche Renten vollständig besteuert (vollständige nachgelagerte Besteuerung). Vorsorgeaufwendungen müssen im Gegenzug dann allerdings nicht mehr aus versteuertem Einkommen geleistet werden. Im Zeitraum bis 2040 gilt es Doppelbesteuerungen für diejenigen Rentnerinnen und Rentner zu vermeiden, die bereits aus versteuertem Einkommen vorgesorgt haben. Dazu enthält das Alterseinkünftegesetz eine Stufenregelung zur Höhe der Rentenbesteuerung und zur Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit Verfassungsbeschwerden zur möglichen Doppelbesteuerung auseinandergesetzt, diese allerdings wegen fehlender Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung angenommen. Jüngst, im Juni 2016, wies das Gericht indes auf eine mögliche Doppelbesteuerung derjenigen hin, die um das Jahr 2040 erstmals eine Rente der Rentenversicherung beziehen werden. Sodann könne ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung zum Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Prüfung gemacht werden. Bündnis 90/Die Grünen werden den Prozess des schrittweisen Übergangs zur nachgelagerten Besteuerung aufmerksam begleiten. Eine doppelte Besteuerung muss dabei vermieden werden. Sie sprechen jenseits Ihres konkreten steuerpolitischen Anliegens wichtige Fragen an: die der Alterssicherung von Menschen mit geringen Einkommen und die der Vermeidung von Armut im Ruhestand. Immer mehr Rentnerinnen und Rentner sind von Altersarmut betroffen. Vor allem Frauen, Selbständige und Personen mit gesundheitlichen Problemen müssen um ihr Auskommen fürchten. Verantwortlich dafür sind unstete Erwerbsbiografien, weit verbreitete Niedriglöhne und ein sinkendes Rentenniveau.
Dass Menschen im Alter ein gutes und selbstbestimmtes Leben führen können, ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit und der Würde. Fair und gut bezahlte Beschäftigung erleichtert auch die Vorsorge für das Alter. Ein stabilisiertes Rentenniveau und eine Garantierente für langjährig Versicherte können sicherstellen, dass das Einkommen im Regelfall über dem Niveau der Grundsicherung liegt. Wir setzen uns darüber hinaus dafür ein, dass die zusätzliche Altersvorsorge in Zukunft auch für Geringverdienende zu einer bezahlbaren und fairen Option wird. Dazu wollen wir die Riester-Förderung im Sinne von Menschen mit geringen Einkommen umgestalten und ein einfaches, kostengünstiges und öffentlich verwaltetes Basisprodukt für die private und die betriebliche Altersvorsorge einführen. Für den Fall, dass Sie die Grünen Forderungen zur Alterssicherung eingehender nachvollziehen möchten, empfehle ich Ihnen einen Blick in unser Gesamtkonzept: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/120/1812098.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Markus Kurth