Frage an Markus Kurth von Jörg L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Kurt,
warum gibt es in Deutschland aktuell fast nur noch ausschließlich Stellenangebote über Zeitarbeit bzw. branchenübergreifend (einschließlich öffentl. Dienst) fast auschließlich nur noch befristete Stellenangebote ?
Für Ihre Antwort vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Lindeholz,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu dieser wichtigen Thematik. Der Anteil prekärer Beschäftigungsverhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist innerhalb des letzten Jahrzehnts rasant angestiegen. Auch wenn der Trend zur sogenannten „atypischen Beschäftigung“ in den vergangenen zwei Jahren leicht rückläufig war, bleibt die Problematik ungebrochen akut.
Grundsätzlich brauchen Unternehmen zwar eine gewisse Flexibilität für Auftragsspitzen. Flexible Arbeitsverhältnisse entwickeln sich jedoch immer mehr zur "Einbahnstraße", durch die Risiken einseitig auf die Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerinnen abgewälzt werden. Der Zweck, über sie kurzfristig Spitzen im Arbeitsaufkommen abzufedern oder zeitlich begrenzt Personal zu ersetzen, gerät zunehmend in den Hintergrund.
Inzwischen ist jeder elfte Arbeitsvertrag ein befristeter. Zudem stieg der Anteil der sachgrundlosen Befristung an allen befristeten Arbeitsverträgen von 32% im Jahr 2001 auf 48 Prozent im Jahr 2013. Die Folgen für die ArbeitnehmerInnen sind weitreichend: So sind die Löhne in befristeten Arbeitsverhältnissen rund ein Viertel niedriger als in unbefristeten. Befristet Beschäftigte sind zudem von einem höheren Armutsrisiko bedroht: Jeder Sechste der befristet Beschäftigen hatte 2008 ein Einkommen unter der Armutsschwelle. Die individuelle Familien- und Lebensplanung wird durch die ständige berufliche Unsicherheit erschwert und macht langfristige Entscheidungen schwer bis unmöglich. Auch die psychischen Folgen dieser stetigen Belastung sollten nicht unterschätzt werden.
Wir Grüne wollen die Befristungsgründe reduzieren und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen abschaffen. Hierzu haben wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen entsprechenden Antrag im Bundestag eingebracht. Bereits jetzt bietet eine bis zu sechsmonatige Probezeit Unternehmen ausreichend Flexibilität bei der Personalauswahl und -planung. Auch für UnternehmensgründerInnen soll es weiterhin möglich sein, Verträge zu befristen. Die befristeten Arbeitsverhältnisse sind zudem nur ein Aspekt im Bereich prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Hierzu zählen auch die Problematiken im Bereich der Leiharbeit und Arbeit im Rahmen von Werksverträgen, die zunehmend dazu dienen, Lohndumping zu betreiben und die Stammbelegschaft zu ersetzen.
Die jüngsten Entwicklungen im Bereich prekärer oder atypischer Beschäftigung sind nach wie vor alarmierend. CDU/CSU und SPD sind jedoch trotz ihrer Ankündigungen im Koalitionsvertrag tatenlos geblieben. Dabei sind die Problematiken seit langem bekannt und entsprechende Reformen dingend notwendig.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Kurth