Frage an Markus Kurth von Heidemarie W. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Kurth,
das Thema für mein Anliegen befindet sich nicht direkt in der Auflistung; denke es geht auch so. Möchte gern von Ihnen die komplexe Angelegenheit "Überhangmandat" erläutert bekommen. Kann mir denken,daß sie nicht mit einer einzigen Antwort erklärt werden kann. Würde dennoch gern eine Nachricht erhalten! Bis dahin mit freundlichen Grüßen Heidemarie Witten
Hallo Frau Witten,
das ist in der Tat nicht so einfach und lässt sich nicht in einem Satz erklären.
Ich habe aber bei Wikipedia eine sehr gute Erklärung des Themas "Überhangmandate" gefunden, dass ich hier auszugsweise zitiere.
Den ganzen Artikel finden Sie hier: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cberhangmandat
"In der Bundesrepublik Deutschland kann es bedingt durch das Wahlsystem zu so genannten Überhangmandaten kommen. Hat eine Partei innerhalb eines Bundeslandes mehr Direktmandate , als ihr nach Zweitstimmen Mandate des Landeskontingents zustünden, entstehen Überhangmandate. Diese sind Sitze einer Partei im Bundestag, die über den Anteil, der nach Verhältniswahlrecht nach dem Zweitstimmenanteil vergeben wird, hinausgehen. Durch diese Überhangmandate erhöht sich die Zahl der Abgeordneten im Bundestag .
Der Bundestag setzt sich aus den Wahlkreis kandidaten, die durch die Erststimme (Mehrheitswahlrecht /Direktkandidat) gewählt werden, und den Politikern einer jeweiligen Partei, die durch die Zweitstimme (Verhältniswahlrecht/Listenkandidaten ) gewählt werden, zusammen. Durch die Zweitstimme werden die Parteien gewählt und somit die Anzahl der auf jede Partei entfallenden Mandate im Bundestag bestimmt. Die Hälfte der insgesamt 598 zur Verfügung stehenden Mandate wird nun zunächst von den 299 Wahlkreisgewinnern der jeweiligen Parteien besetzt (Erststimmenwahl). Diese Wahlkreisgewinner werden im Bundestag als Direktmandate bezeichnet. Weitere Plätze, die jeder Partei entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil zustehen können, werden normalerweise mit den Parteimitgliedern gemäß einer Liste aufgefüllt, die die Partei festlegt. Somit vermindert im Allgemeinen jedes gewonnene Direktmandat einer Partei die Anzahl der ihr verbleibenden Listenmandate.
Wenn jedoch eine Partei innerhalb eines Bundeslandes über die Erststimmen mehr Wahlkreise gewonnen hat, als ihr nach Zweitstimmen zukommen würden, kommt es zu "Überhangmandaten". So gewinnt diese Partei, je nach Anzahl der Überhangmandate, zusätzliche Sitze im Bundestag hinzu. Ein Ausgleich zugunsten der anderen Parteien, der die jeweilige Sitzzahl dem Zweitstimmenverhältnis wieder anpassen würde, findet bei Bundestagswahlen nicht statt, wohl aber bei einigen Landtagswahlen.
/Beispiel:/ Bei der Bundestagswahl 1994 gewann die CDU in Baden-Württemberg alle 37 Wahlkreise und somit 37 Direktmandate. Nach der Berechnung der Sitzverteilung über die Zweitstimmen standen der CDU in Baden-Württemberg jedoch nur 35 Mandate zu: Es entstanden zwei Überhangmandate. Insgesamt gab es 1994 16 Überhangmandate (zwölf für die CDU, vier für die SPD ). Die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag erhöhte sich entsprechend.
Scheidet ein mit Direktmandat ausgestatteter Abgeordneter, der aus einem Land mit Überhangmandaten in den Bundestag eingezogen ist, während der Legislaturperiode aus, rückt für ihn kein Kandidat von der Landesliste oder aus dem Wahlkreis nach /(Nachrücker-Urteil )/.
/Beispiel:/ Durch den Tod der Abgeordneten Anke Hartnagel aus Hamburg -- wo die SPD bei der Bundestagswahl 2002 sechs Direktmandate errungen hatte, obwohl ihr nur fünf Listenplätze zugestanden hätten -- verringerte sich die Größe der SPD-Fraktion (und damit die des ganzen Bundestags) um einen Abgeordneten, weil Frau Hartnagels Platz nicht nachbesetzt wurde.
Überhangmandate traten bereits bei der ersten Bundestagswahl auf, bis einschließlich 1990 spielten sie nur bei der Wahl Konrad Adenauers zum Bundeskanzler eine Rolle, da die Mehrheiten ansonsten klar waren. 1994 traten Überhangmandate erstmals in großem Maße auf: zwölf für die Unionsparteien und vier für die SPD. Die Union konnte damit ihren knappen Vorsprung stabilisieren. Dies rief eine Reihe von Überlegungen über ihre Verfassungsmäßigkeit hervor. Das Bundesverfassungsgericht erklärte jedoch (mit 4:4 Stimmengleichheit im Zweiten Senat) die proporzverzerrende Wirkung der Überhangmandate für verfassungskonform.^[1]
Verfassungsrechtlich problematisch erscheint insbesondere die Tatsache, dass beim Bundestagswahlsystem durch ein Zusammenwirken von Überhangmandaten mit der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten ein so genanntes negatives Stimmgewicht auftreten kann. In diesen Situationen kommt es zu einer Umkehrung der Abhängigkeit der Sitzverteilung von der Stimmabgabe, entweder würden weitere Stimmen für eine Partei diese einen Sitz kosten oder Stimmverluste dieser einen Sitz bescheren. Stimmen würden sich demnach gegen den Willen der Wähler auswirken, s. ein Beispiel für negatives Stimmgewicht bei der Bundestagswahl 2002 , bei der die SPD einen Sitz mehr erhalten hätte, wenn sie 50.000 Zweitstimmen weniger in Brandenburg bekommen hätte. An der Zahl der in Brandenburg direkt gewonnenen Sitze, davon ein Überhangmandat, hätte sich nichts geändert, dafür wäre der Bremer Landesliste ein Sitz mehr zugefallen. Für den Wähler ist nicht absehbar, ob seine Stimmabgabe sich günstig oder ungünstig für die gewählte Partei auswirkt, da dies von einer für ihn zufälligen Konstellation abhängt.
Um zu klären, ob solche zufälligen Mehrheitsfindungen in einem personalisierten Verhältniswahlrecht verfassungsgemäß sind, wurden mehrere Wahlprüfungsbeschwerden zu den Bundestagswahlen 1998, 2002 und 2005 beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Das Gericht verkündete am 3. Juli 2008 in zwei Verfahren zur Prüfung der Bundestagswahl 2005 sein Urteil, dass die jetzige Vergabe der Überhangmandate wegen des Phänomens des negativen Stimmgewichts verfassungswidrig ist. Dem Gesetzgeber wurde eine Frist bis Juni 2011 eingeräumt, so dass zur Bundestagswahl 2009 noch einmal die alte Regelung toleriert wird.^[2]
Im Februar 2009^[3] -- sieben Monate vor der Bundestagswahl 2009 -- wurde von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes in den Bundestag eingebracht, der den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht.^[4] Am 3. Juli 2009 wurde er mit Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt.^
Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter.
Viele Grüße
Markus Kurth