Wie stehen Sie zu dem Gesetzesvorschlag der Initiative "Hamburg Werbefrei", die den öffentlichen Raum wieder mehr den Hamburger Menschen und Unternehmen zurückgeben möchte?
Sehr geehrte Frau Engels, was sagen Sie als Soziologin. Wer hat das Recht auf den öffentlichen Raum? Wer sollte die Kontrolle über den öffentlichen Raum haben? Große, bundesweit agierende Unternehmen, die mit ihren digitalen Aufmerksamkeitsmagneten flächendeckend Werbung schalten? Oder wollen wir diesen Raum lieber für lokale, kleinere Akteure wie Stadtteilinitiativen, Vereine und kleine Geschäfte nutzen? "Hamburg Werbefrei" setzt sich für ein Hamburg ein, in das der öffentliche Raum nicht den Interessen großer Konzerne untergeordnet wird, sondern lokalen und kulturellen Aktivitäten zugutekommt. Beispielsweise soll die Hälfte der Hamburger Werbeflächen für kulturelle, politische, sportliche und ähnliche Veranstaltungen genutzt werden. Zudem soll die Aufdringlichkeit durch die Außenwerbung dadurch begrenzt werden, dass es keine digitalen oder hinterleuchteten Werbeflächen mehr gibt. Das Ergebnis wäre eine Stadt mit mehr „Litfaßsäulenromantik“ statt Dauerbeschallung durch Werbekampagnen.
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Sehr geehrter Jonas B.,
Die Initiative "Hamburg Werbefrei" wirft die wichtige Frage auf, wie wir den öffentlichen Raum in unserer Stadt künftig nutzen wollen. Hierbei spielt die öffentliche Werbung eine Rolle, aber auch die einzige bzw. auch nicht die wichtigste Rolle. Konsumfreie Aufenthaltsorte, Mobilitätswende etc. als ein paar weitere Themen. Aber konkret zur Initiative: Grüner Ansicht nach ist der Gesetzesentwurf differenziert zu betrachten, da die vorgeschlagenen Maßnahmen über eine bloße Umwidmung von Werbeflächen hinaus gehen und zu einer drastischen Reduzierung der vorhandenen Werbeanlagen führen würden. Gerade in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung und visueller Reizüberflutung im digitalen wie analogen Raum ist es nachvollziehbar, dass Bürger*innen sich eine Reduzierung von Werbeflächen und stärkere Priorisierung von kulturellen, politischen und sportlichen Informationen wünschen. Weitere wertvolle Effekte von weniger Werbemonitoren wären die Reduzierung von Energieverbrauch, Lichtverschmutzung und Ablenkung im Straßenverkehr.
Der Wegfall von Werbeflächen hätte aber auch andere weitreichende Folgen, etwa den Verlust von Einnahmen für die Hamburger Verkehrsbehörde (BVM), die aktuell auch in die Verkehrswende fließen. Gleichzeitig würde die Verantwortung für Bushaltestellen, die derzeit von Vertragspartnern übernommen wird, wieder vollständig bei der Stadt liegen. Zudem stellt sich die Frage, wie in Zukunft wichtige Informationen, darunter zivilschutzrelevante Warnmeldungen aber auch kulturelle Hinweise, wirkungsvoll im Stadtbild kommuniziert werden können. Als Sozialpolitikerin habe ich hierbei auch die Informationen zu sozialen Hilfen (Krisentelefon, Wohngeld etc.) oder Awarenesskampagnen (z.B. gegen häusliche Gewalt) im Blick.
Sie sehen, wir haben einen differenzierten Blick auf die Dinge und beobachten die weiteren Entwicklungen mit großen Interesse. Uns ist wichtig, Lösungen zu finden, die sowohl den berechtigten Wunsch nach weniger kommerzieller Werbung als auch die praktischen Herausforderungen für die Stadt und die Kulturbranche berücksichtigen.
Herzliche Grüße,
Mareike Engels