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Mahmut Özdemir
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Frage von Elvin C. •

Werden Sie sich für einen Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag einsetzen? Falls nein, warum nicht?

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Sehr geehrter Herr C.,

der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) verbietet die Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen sowie die Drohung damit. Zu diesem Vertrag geführt hat die verständliche Frustration in weiten Teilen der Welt über mangelnde Fortschritte im Bereich der nuklearen Abrüstung. Die Aufrüstung mit und die Verbreitung von Atomwaffen haben in den letzten zwei Jahrzehnten wieder stark zugenommen. So besitzt Nordkorea inzwischen Atomwaffen, und die USA, Russland und China modernisieren ihre Arsenale. Vom AVV geht das klare Signal aus, dass viele Staaten auf dieser Welt dem nuklearen Wettrüsten nicht weiter tatenlos zusehen wollen. Deutschland engagiert sich seit langem für die nukleare Abrüstung und hat bereits zweimal als Beobachter an der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) in Wien teilgenommen.

Aus Sicht der Bundesregierung war es wichtig, ein deutliches Zeichen zu setzen und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine klar zu benennen und breit zu verurteilen. Die SPD hat sich innerhalb der Bundesregierung immer dafür eingesetzt, dass sich Deutschland als Beobachter an der AVV-Vertragsstaatenkonferenz beteiligt.

Gleichzeitig wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Bundesregierung das Ziel der Befürworter des AVV, nämlich eine nuklearwaffenfreie Welt, teilt sowie Anknüpfungspunkte auch im Bereich der im AVV thematisierten sogenannten „positiven Verpflichtungen“, mit denen den humanitären und ökologischen Auswirkungen von Atomtests begegnet werden soll, sieht. Mit den Befürwortern des Vertrages teilt sie zudem das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt. Grundpfeiler nuklearer Rüstungskontrolle bleibt für uns der NVV, in dessen Rahmen konkrete, verifizierbare Schritte hin zu nuklearer Abrüstung unter Mitwirkung der Nuklearwaffenstaaten erzielt werden können.

Bei der ersten Vertragsstaatenkonferenz des AVV brachte die Bundesregierung zum Ausdruck, dass der weitreichende Verbotstatbestand des Vertrages mit Deutschlands bündnispolitischer Rolle kollidiert. Aufgrund des weitreichenden Verbotstatbestands des AVV wäre ein Beitritt zum Vertrag nicht mit Deutschlands Verpflichtungen als Bündnispartner, insbesondere mit der nuklearen Teilhabe, vereinbar. Hinzu kommt, dass bislang kein einziger Nuklearwaffenstaat dem AVV beigetreten ist und ihm vermutlich auch niemals beitreten wird – denn er müsste umgehend einen Prozess der eigenen vollständigen Denuklearisierung einleiten. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sich ein Nuklearwaffenstaat einer solchen einseitigen Verpflichtung unterwerfen wird.

Insofern ist der bereits seit über 50 Jahren bestehende Nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV) nach wie vor die einzige Grundlage für weitere verhandelte und verifizierbare Abrüstungsschritte. Hinzu kommt die Befürchtung, dass dem NVV durch den AVV eine Konkurrenz erwachsen könnte und damit letztendlich eine Schwächung des NVV mit seinen erprobten Überwachungsverfahren verbunden ist. Dies wiederum würde dem Ziel der weltweiten nuklearen Abrüstung einen Bärendienst erweisen.

Die Rolle des Beobachterstatus, die Deutschland einnimmt, baut hier eine Brücke. Damit wird Staaten, die der vollständigen nuklearen Abrüstung im Grundsatz positiv gegenüberstehen, aber aus übergeordneten und nachvollziehbaren Gründen, wie zum Beispiel Bündnisverpflichtungen, nicht beitreten können, die Möglichkeit gegeben, den Prozess zu begleiten, ohne dabei in einen Interessenkonflikt zu geraten. Der AVV ist dafür ein geeigneter Anwendungsfall.

Atomwaffen sind Massenvernichtungswaffen, deren Einsatz die Menschheit im schlimmsten Fall auslöschen kann. Mit dieser Bedrohung dürfen wir uns nicht einfach abfinden, sondern unsere Anstrengungen auf dem Gebiet der nuklearen Abrüstung weiter verstärken. Gleichzeitig muss es darum gehen, die Bedeutung von Nuklearwaffen im sicherheitspolitischen Denken zu verringern und Eskalationsrisiken zu minimieren.

Mit freundlichen Grüßen

Mahmut Özdemir

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