Welche Chancen sehen Sie, die die Freiwilligendienste gefährdenden Kürzungen der Zuschüsse der Bundesregierung noch zu stoppen?
Sehr geehrte Frau Amtsberg,
in der vergangenen Woche machten uns die jüngsten Bildungsmonitor-Ergebnisse unruhig, nachdem wir uns in einem besorgniserregenden Abwärtstrend im Bildungssektor befinden. Zwar focussierte die Presse in erster Linie auf die primäre Bildung in Kita und Grundschule, aber auch der Hochschulbereich und die Wege dahin sind betroffen. Dann lesen wir einen Tag später von den Plänen der Bundesregierung, die Mittel für die Freiwilligendienste um 24% und 2025 nochmal um 12% zu kürzen.
Ich frage mich, ob das Attribut "freiwillig" die Rechtfertigung dafür abgibt, hier eher zu kürzen als in notwendigeren Bereichen. Ich verstehe nicht, wieso Politiker hier anscheinend völlig den Zusammenhang zum Bereich Bildung ignorieren. Zum einem sind etliche Einsatzstellen Einrichtungen mit Bildungsauftrag, zweitens wissen alle, die Kontakt zu Teilnehmern des FSJ, FÖJ, FKJ ... usw haben, welches kostengünstiges Bildungspotential darin steckt, fachlich wie persönlichkeitsbildend.
Sehr geehrter Herr A.
die Haushälter*innen der Ampel-Koalition sind sich den finanziellen Herausforderungen der Freiwilligendienste bewusst. Auch im Zuge der letzten Haushaltsberatungen wurde darüber intensiv im parlamentarischen Verfahren diskutiert. In vielen Gesprächen mit Beteiligten wurde das Verständnis noch einmal dafür sensibilisiert, dass die fehlende Konstanz der Mittel die Planung erschwert.
In der aktuellen Finanzplanung für 2025 bis 2027 sind jährlich 250 Mio. Euro für die beiden Freiwilligendienst-Titel vorgesehen. Die Freiwilligendienste sind damit der größte Posten im Programmbereich des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ). Die Finanzplanung ist ein Instrument der Regierung, welches im parlamentarischen Verfahren weder beraten noch verändert wird. Das Parlament berät und entscheidet über den Haushalt des jeweiligen Folgejahres, zuletzt also für 2024. Dabei ist es gelungen, für das Jahr 2024 80 Mio. Euro mehr (+53 Mio. Euro Bundesfreiwilligendienst & +27 Mio. Euro FSJ/FÖJ/IJFD) zur Verfügung zu stellen als der Regierungsentwurf noch im Sommer 2023 vorgesehen hatte. Nach 328 Mio. Euro in 2023 stehen in 2024 also 330 Mio. Euro bereit.
Eine zentrale Herausforderung für die Freiwilligendienste ist die Überjährigkeit, für welches es aktuell noch keine Lösung gibt. Das bedeutet, dass ein Freiwilligendienstjahr zumeist zwei Haushaltsjahre betrifft. Die mehrjährige Finanzplanung kann nur von der Bundesregierung mit der Vorlage des nächsten Regierungsentwurfs zum Haushalt 2025 angepasst werden. Aufgrund der äußerst herausfordernden Haushaltslage insgesamt war es der Bundesregierung zuletzt nicht gelungen, eine langfristige Planung auf diesem erhöhten Niveau vorzulegen. Auch zusätzliche Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen der parlamentarischen Beratungen für die Jahre ab 2025 hätten den Zentral- und Einsatzstellen der Freiwilligendienste nicht mehr Planungssicherheit gebracht, solange der Finanzplan nicht insgesamt höhere Ausgaben für den Etat des BMFSFJ vorsieht. Denn ohne eine höhere Mittelausstattung könnten zwar theoretisch höhere Verpflichtungsermächtigungen genutzt werden, sie müssten aber an anderer Stelle im Programmhaushalt des BMFSFJ gegenfinanziert werden. Das ist in dieser Größenordnung nicht darstellbar. Es wäre ein massiver Einschnitt bei anderen Maßnahmen notwendig.
Das zuständige Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hat in einem ersten Schritt die Kontingente mit den Zentralstellen der Freiwilligendienste abgestimmt. Die grünen Haushälter*innen haben in Gesprächen darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer dem Haushalt 2024 entsprechenden Finanzplanung dabei berücksichtigt werden sollte, damit bei Vorlage derselben ggf. noch weitere Plätze vergeben werden können. Der neue Finanzplan wird aller Voraussicht nach erst Mitte des Jahres vorliegen (aktuell ist der 3. Juli vorgesehen). Auch die Nutzung der Teilzeit-Möglichkeit und die Möglichkeit von kürzeren Diensten zwischen 6-9 Monaten sollte genutzt werden, um möglichst vielen Menschen die wertvolle Erfahrung eines Freiwilligendienstes zu bieten. Die bisherige Planung für den in 2024 beginnenden Freiwilligendienst-Jahrgang liegt aber auch jetzt schon annähernd auf Vorjahres-Niveau.
Meine zuständigen grünen Kolleg*innen im Haushaltsausschuss setzen größte Anstrengungen daran, bei allen relevanten Entscheidungsträger*innen in den Fraktionen der Ampel-Koalition sowie der Bundesregierung für die Situation der Freiwilligendienste und ihre wichtige Stellung in der Gesellschaft zu werben und eine langfristige und nachfragegerecht Ausstattung mit Haushaltsmitteln zu erreichen.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten und danke Ihnen für Ihr Engagement in diesem Bereich.
Mit freundlich Grüßen
Team Amtsberg