Frage an Luise Amtsberg von Evelyn B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Amtsberg,
zurzeit bearbeiten wir im Religionsunterricht verschiedene ethische Fragestellungen. Darunter auch die Thematik der Organspende und wie diverse Regelungen gehandhabt werden müssen.
Deswegen auch meine Frage.
Warum haben Sie gegen die Widerspruchslösung für Organspenden gestimmt?
Die Mehrheit der Bundesbürger war laut Umfragen FÜR die Widerspruchslösung.
Sehr geehrte Frau Betger,
Viele Menschen müssen sehr lange auf ein Spendeorgan warten. Das ist oft mit großem Leid für sie und ihre Familien verbunden. In Deutschland werden von den Gestorbenen, die für eine Organspende infrage kommen, noch zu wenige an die Deutsche Stiftung Organtransplantation gemeldet, somit gehen wertvolle Spendeorgane verloren. Es ist also dringend notwendig, das Transplantationswesen in Deutschland zu verbessern.
Im Herbst 2018 hat sich eine interfraktionelle Gruppe von Gesundheitspolitiker*innen vor Ort über das hervorragende Organspendewesen in Spanien informiert. Die Erfahrungen aus Spanien sind maßgeblich in das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende eingeflossen, das im Februar mit der Unterstützung aller Parteien außer der AfD verabschiedet wurde und am 1. April 2019 in Kraft trat. Dieses Gesetz muss seine volle Wirkung noch entfalten.
Nun wird häufig zu Unrecht angeführt, dass es in Spanien so gut sei, weil dort die Widerspruchsregelung gelte. Das stimmt so nicht. Eine formale Widerspruchsregelung besteht in dort wirkungslos seit 1979. Erst als die Strukturen verbessert wurden, kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Transplantationsraten.
Für eine Verbesserung des Transplantationswesens sind entscheidend: die Strukturen und das Vertrauen in die Organspende.
Mit einer interfraktionellen Gruppe von Bundestagsabgeordneten setze ich mich dafür ein, dass zusätzlich zu den Strukturen des Gesundheitssystems auch das Vertrauen in die Organspende gestärkt und damit die Zahl der Spenden angehoben wird. Hierzu sieht der von uns eingebrachte Gesetzentwurf für eine freie Entscheidung bei der Organspende vor, dass Bürger*innen über ein Online-Register die Möglichkeit haben, ihre Entscheidung einfach zu dokumentieren, jederzeit zu ändern und zu widerrufen. Die Abgabe einer Erklärung zur Organ- und Gewebespende soll künftig auch in den Ausweisstellen möglich sein. Ferner ist vorgesehen, dass Hausärzt*innen ihre Patient*innen bei Bedarf alle zwei Jahre über die Organ- und Gewebespenden beraten und sie zur Eintragung in das Register ermutigen sollen, wofür sie besser ausgebildet und vergütet werden sollen. Diese Maßnahmen können dazu beitragen, den dokumentierten positiven Willen zur Organ- und Gewebespende wesentlich zu erhöhen.
Anders als bei der von Jens Spahn und anderen vorgeschlagenen Widerspruchsregelung bleibt die Entscheidungsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen unberührt. Schweigen darf nicht als Zustimmung gewertet werden. Manche Menschen können oder wollen sich nicht mit der Organspende auseinandersetzen. Sie – oft die Schwächsten in der Gesellschaft – müssen geschützt werden. Obdachlose, psychisch Kranke und andere Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen unter Umständen nicht mit der Organspende befassen, dürfen nicht einfach zu Organspendern erklärt werden, obwohl sie dem nicht zugestimmt haben. In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags im September 2019 wurde deutlich, dass auch Betroffene wünschen, dass es sich um eine echte „Spende“ handelt und die Spenderin oder der Spender in eine Organentnahme eingewilligt hat.
Deshalb habe ich bei der Bundestagsabstimmung am 16. Januar 2020 für das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende und gegen das Gesetz zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz gestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Luise Amtsberg