Frage an Luise Amtsberg von Lucio F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Amtsberg,
auf vielen "Anti-TTIP" Demonstrationen beteiligen sich unter großen medialer Aufmerksamkeit Abgeordnete ihrer Partei.
Warum ist ihre Partei dennoch klar für TTIP? Sind sie auch für das Freihandelsabkommen?
Ich beziehe mich unter anderem auf die "Sofortmaßnahmen Agrarwende" ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/041/1804191.pdf ). Dort heißt es unter anderem zu TTIP "[...]dafür zu sorgen, dass die Freiheitshandelsabkommen CETA und TTIP so gestaltet
werden, dass [...]" (Seite 4).
Warum tut Ihre Fraktion nach außen so, als würde Sie helfen TTIP zu verhindern, in Wirklichkeit werden von der Fraktion aber die Freihandelsabkommen befürwortet? Solch ein geteiltes Verhalten hilft dabei Politikverdrossenheit zu schüren.
Sind Sie Befürworterin von TTIP? Diese Frage lässt sich mit "Ja" oder "Nein" beantworten ;)
Viele Grüße
Sehr geehrter Herr Favorero,
Vielen Dank für Ihre Email. Wir teilen Ihre Kritik und Ihre Bedenken mit Blick auf das geplante Freihandelsabkommen TTIP.
Handel ist nicht nur ein Eckpfeiler für eine florierende Wirtschaft. Handel über Grenzen hinaus leistet auch einen wichtigen Beitrag zum Austausch zwischen Menschen und Kulturen. Die grüne Bundestagsfraktion begrüßt deshalb grundsätzlich Initiativen zur Vertiefung der Handelsbeziehungen. Die Finanz- und Bankenkrisen der letzten Jahre haben gezeigt, dass international vereinbarte Standards und stärkere Kontrollmechanismen dringend nötig sind.
Vertiefte Partnerschaften müssen dabei aber anstreben, soziale und ökologische Standards zu stärken und auch für den Klimaschutz positive Impulse zu setzen – und eben nicht allein wirtschaftlichen Erfolg und Deregulierung zum Ziel erheben. Die EU und Deutschland sollten deshalb auch nur Vereinbarungen eingehen, die neben wirtschaftlichen Vorteilen vor allem den Verbraucher- und Umweltschutz verbessern und soziale und Datenschutz-Standards sichern und dies möglichst, ohne die globale Perspektive aus den Augen zu verlieren indem bspw. Entwicklungsländer durch bilaterale Verträge wie TTIP Schaden nehmen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass TTIP sehr viel mehr sein soll als ein reines Handelsabkommen. Denn der Handel zwischen den USA und der EU floriert seit Jahren, ganz ohne TTIP. Die Märkte der USA und der EU sind bereits sehr offen. Unternehmen von beiden Seiten des Atlantiks investieren schon jetzt Milliardensummen auf der jeweils anderen Seite. Die Einfuhrzölle sind bereits niedrig, liegen bei etwa vier Prozent im Schnitt. Sicher gibt es einzelne Wirtschaftszweige, für die Zölle noch ein Problem darstellen – das ist aber eher eine Randerscheinung und auch ohne einen solch umfassenden Vertrag lösbar.
Der erhobene Vorwurf ihrerseits speist sich vor allem aus der Tatsache, dass wir im Gegensatz zu anderen TTIP-Gegnern (Frei-)Handelsabkommen nicht per se als solche ablehnen, sondern eine relativ ausdifferenzierte Position dazu haben. Unsere Kritik an TTIP macht sich eben an spezifischen, inhaltlichen Punkten fest.
Da diese Position aber viel zu ausdifferenziert ist, um sie einfach, schnell und verständlich kommunizieren zu können, treten wir in der Öffentlichkeit "gegen TTIP" auf und beteiligen uns auch an Demos von TTIP-Gegnern.
Ein Abkommen mit den USA könnte die Chance bieten, in vielen Bereichen dringend nötige Fortschritte zu erzielen. Leider fehlen eine ganze Reihe solcher Themen in TTIP. So spielt etwa die Stärkung der Rechte von ArbeitnehmerInnen keine große Rolle. Genauso ist nicht nachvollziehbar, dass die Auswirkungen auf Entwicklungsländer und Drittstaaten in der Diskussion bisher fast völlig ignoriert werden. Das ist schlicht inakzeptabel. Vor allem aber fehlt mit dem Klimaschutz eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit in den Plänen zu TTIP. Die Diskussionen zu Thema Energie befassen sich bisher fast ausschließlich mit fossilen Brennstoffen, anstatt über konkrete Pläne zur Stärkung der Erneuerbaren Energien zu reden. Damit vergibt TTIP riesige Chancen und ist in vielen Fragen das Gegenteil von dem, was eigentlich gebraucht wird.
Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lassen sich nur gemeinsam lösen. Handelsabkommen können ein Weg sein, daran zu arbeiten – wenn sie die richtigen Schwerpunkte setzen und Staaten nicht gegeneinander ausspielen. All das hat TTIP auch fast zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen nicht erkennen lassen. Im Gegenteil, je mehr über die Pläne bekannt wird, desto größer wird die Kritik. Auch wir sind der Meinung, dass die negativen Folgen und Gefahren die möglichen Gewinne von TTIP bei weitem übersteigen – und lehnen das Abkommen in seiner derzeitigen Form deshalb ab.
Wir werden keinem Abkommen zustimmen, das Klageprivilegien für Konzerne enthält oder etablierte Standards zum Schutz von Menschen und der Umwelt untergräbt. Wir brauchen eine andere Handelspolitik der EU. Wir wollen Handelsabkommen, die transparent verhandelt und nach sozialen, ökologischen und menschrechtlichen Kriterien ausgerichtet sind und die die etablierten demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen nicht in Frage stellen. Diesen Maßstäben müssen Handelsabkommen folgen, dann können sie hilfreich sein.
TTIP tut genau das nicht. Daher werden wir weiterhin Kritik an den Plänen üben und auf Probleme mit Nachdruck hinweisen. Wir glauben, dass es dabei auf jede Stimme ankommt und laden Sie herzlich ein, sich uns anzuschließen.
Abschließend gesehen, sind wir gegen TTIP in der derzeit diskutierten Form. Grundsätzlich könnten wir uns aber vorstellen, für TTIP zu sein, sofern unsere inhaltliche Kritik umgesetzt werden würde. Ob dies in Zukunft noch geschehen wird und TTIP damit für uns zustimmungsfähig wird, können wir natürlich nicht sagen. Daher kein klares "Ja" oder "Nein" zu uns in dieser Frage.