Frage an Luise Amtsberg von Gerhard R. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Amtsberg,
es geht um die Terrormiliz IS und um die Ausreise von deutschen Jugendlichen zwecks Kriegsteilnahme.
Wie auch bei anderen Werbeaktionen für Kriegseinsätze werden Gesundheitsgefahren ausgeblendet.
Müssen Jugendliche deshalb in den Schulen erfahren, wie grausam der Alltag nach einer Kriegsverletzung aussehen kann?
Eine Ärzteorganisation hat ein Informationsblatt für Schüler und Schülerinnen zu „Risiken und Nebenwirkungen eines Bundeswehreinsatzes im Kriegsgebiet“ herausgegeben, das unter http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/schuelerinformationsblatt.pdf kostenlos heruntergeladen und ausgedruckt werden kann.
Die begleitende Hintergrundinformation für Lehrpersonal gibt es unter http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/lehrerinformationsblatt.pdf
Kontakt: Angelika Wilmen, Pressesprecherin der IPPNW, Tel. 030-69 80 74-15, Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Körtestr. 10, 10967 Berlin, www.ippnw.de, Email: wilmen[at]ippnw.de
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auf diese Informationsmöglichkeit in den schleswig-holsteinischen Schulen und bei Elternvertretungen hingewiesen wird?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Frage und Anregung mehr für die Prävention und Intervention bei der Anwerbung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Deutschland durch die Terrormiliz IS zu unternehmen. Derzeit sollen nach Angaben der Bundesregierung rund 400 Personen aus Deutschland im syrischen Bürgerkriegsgebiet aktiv sein, wobei die Bundesregierung über Hintergründe und die konkreten Motive der Ausgereisten keine genau Auskunft gibt (die Grüne Bundestagsfraktion hat mit einer Kleinen Anfrage nachgehakt: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/027/1802725.pdf ).
Spätestens seitdem der VN-Sicherheitsrat alle Mitgliedsstaaten in die Pflicht nimmt und dazu auffordert, aktiv gegen den Zustrom von IS-UnterstützerInnen vorzugehen, wird auch in Deutschland intensiv über geeignete Maßnahmen diskutiert – leider erst nachdem bereits hunderte SympathisantInnen in den Nahen Osten gereist sind, um dort für IS und andere Gruppen am syrischen Bürgerkrieg oder den Kämpfen im Nordirak teilzunehmen. Statt sich täglich mit höchst populistischen Vorschlägen zu überbieten, muss die Bundesregierung endlich ein mit den Bundesländern abgestimmtes Gesamtkonzept vorstellen.
Maßnahmen, welche die Ausreise von IS-UnterstützerInnen wirksam unterbinden, unterstützen wir ausdrücklich. Die Ausstellung von Ersatzausweisen lehnen wir aber auch vor dem Hintergrund ab, dass es hierdurch im alltäglichen Rechtsverkehr zu einer großen Stigmatisierung kommen kann. Über einen Datenabgleich mit dem Fahndungsbestand ist bereits heute ersichtlich, ob gegen eine Person eine Ausreisebeschränkung vorliegt bzw. ob sie zur Fahndung ausgeschrieben ist, oder nicht.
Entschieden wenden wir uns auch gegen Vorschläge aus Reihen der Großen Koalition, mutmaßlichen IS-UnterstützerInnen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Abgesehen davon, dass ein solcher Schritt verfassungsrechtlich kaum durchzusetzen sein dürfte, muss endlich zur Kenntnis genommen werden, dass die Radikalisierung von in Deutschland aufgewachsenen Menschen ein Problem unserer Gesellschaft ist.
Ob die Broschüre des IPPNW da der richtige pädagogische Ansatz ist, um in Schulen zu informieren, wage ich - ehrlich gesagt - zu bezweifeln. Nach den wenigen Informationen, die wir über die Motive von Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben, sind sie eher nicht über die moralischen und gesundheitlichen Risiken von einer Teilnahme am Kampf der IS abzubringen.
Notwendig ist aus meiner Sicht eine längerfristig angelegte und finanziell angemessen unterfütterte Deradikalisierungs- und Präventionsstrategie. Dass der Bundeshaushalt in diesem Bereich im letzten Jahr noch einmal um fast 25% gekürzt wurde, ist vor dem Hintergrund der aktuellen Lage und Diskussionen absolut unverständlich. Gerade jetzt muss alles daran gesetzt werden, Radikalisierungsprozesse frühzeitig zu erkennen und ihnen da, wo sie auftreten, gesamtgesellschaftlich zu begegnen. Dafür ist es sicherlich auch notwendig das Thema Islamismus stärker in Schulen und in Zusammenarbeit mit Islamischen Verbänden in der Jugendarbeit anzugehen.
Ich bitte Sie freundlich um Verständnis, dass ich mich vor diesem Hintergrund nicht für die Verwendung der Broschüre in schleswig-holsteinischen Schulen zu diesem Zweck einsetzen werde. Ich rege aber an, dass Sie sich in dieser wichtigen Frage an das Ministerium für Schule und Berufsbildung in Kiel wenden, um zu erfahren, welche Maßnahmen in Schleswig-Holstein zur Prävention der Anwerbung von Jugendlichen durch den IS unternommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Luise Amtsberg