Frage an Lisa Badum von Marcel P. bezüglich Innere Sicherheit
Ein aktueller Gesetzentwurf schlägt vor, die biometrische Videoüberwachung an Bahnhöfen und Flughäfen mit Hilfe von automatischer Gesichtserkennung zu installieren. Wie stehen Sie zu diesem Thema und würden Sie bei einer Abstimmung im Bundestag dafür oder dagegen stimmen?
Sehr geehrter Herr Pabst,
Vielen Dank für Ihre Frage vom 09. Januar 2020 zur biometrischen Videoüberwachung mit automatischer Gesichtserkennung an Bahnhöfen und Flughäfen.
Demokratien leben von der Verfügbarkeit grundsätzlich unüberwachter öffentlicher Räume, in denen sich Individuen frei bewegen können. Die Überlegungen zur flächendeckenden Einführung biometrische Gesichtserkennung auf Grundlage algorithmischer Verfahren stellt diese rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit in Frage und droht die relative Anonymität öffentlicher Räume nachhaltig zu gefährden oder gar zu beenden.
Wie dringend es ist, hier eine gesetzliche Sperre einzuziehen, belegt das Geschäftsmodell des Unternehmens clearview in den USA. Milliarden von im Internet teils illegal gesammelten Bildern dienen als kommerzielle Gesichts-Datenbank. Durch automatisierte Gesichtserkennung werden Personenidentifizierungen samt aller zu einer Person zugänglicher Daten als Service angeboten – und von zahlreichen Sicherheitsbehörden in Anspruch genommen.
Während Bundesinnenminister Seehofer monatelang mit dem Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz die Werbetrommel für Gesichtserkennung rührte, rudert er nun angesichts öffentlicher Kritik zurück. Er hat angekündigt, den bisherigen Passus im Gesetzentwurf für Änderungen am Bundespolizeigesetz, der vorsah, die automatisierte biometrische Gesichtserkennung an Bahnhöfen und Flugplätzen zu ermöglichen, zunächst wieder zu streichen. Dabei handelt es sich aber anscheinend um ein rein taktisch motiviertes Manöver und nicht um ein wirkliches Umdenken des Ministers. Teile der Unionsfraktion halten ohnehin ausdrücklich an den Gesetzesplanungen fest. Und bei der SPD scheint es der Verfassungsministerin Lambrecht egal, ob die Dauerrasterung aller Bundesbürger in öffentlichen Räumen kommt.
Zweifelsohne bestehen auf Bahnhöfen und Flugplätzen besondere sicherheitspolitische Anforderungen. Gleichzeitig birgt die Einführung nicht nur die beschriebenen Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung. Die auf dem Markt befindlichen, unausgereiften Systeme erhöhen die öffentliche Sicherheit eben nicht: Pilotverfahren am Bahnhof Berlin-Südkreuz wiesen wiederholt so hohe Fehlerraten auf, dass mit tausendfachen Fehlspeicherungen und damit unzulässigen Grundrechtseingriffen täglich zu rechnen ist. Des Weiteren steht zu befürchten, dass durch die Einführung, gerade angesichts der zu erwartenden hohen Falscherkennungsraten, nicht nur gesellschaftlich ohnehin bestehende Diskriminierungen verfestigt werden, sondern auch an anderer Stelle dringend benötigtes Personal der Bundespolizei unnötig gebunden wird.
Aus diesen genannten Gründen wollen wir den Einsatz dieser unausgereiften Technik im öffentlichen Raum gesetzlich ausschließen. Die Bundesregierung soll dafür umgehend einen Entwurf vorlegen. Darüber hinaus muss sie sich für ein EU-weites Verbot einsetzen. Dazu haben wir einen Antrag in den Bundestag eingebracht, den Sie hier finden: https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/168/1916885.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Lisa Badum