Eine Frau mit blonden, schulterlangen Haaren blickt freundlich und selbstbewusst in die Kamera. Sie trägt eine schwarze Jacke mit goldenen Streifen. Im Hintergrund ist eine unscharfe städtische Szene mit Menschen und Gebäuden zu erkennen, die eine lebendige Atmosphäre vermittelt.
Lea Reisner
Die Linke
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Frage von Thomas S. •

Warum sind Sie dagegen, dass Asylverfahren außerhalb der EU abgewickelt werden?

Sehr geehrte Frau Reisner,

ich finde es toll, dass eine junge und bodenständige Person, die früher auch noch als Krankenpflegerin im Uniklinikum Köln arbeitete, nun in meinem Stimmbezirk Direktkandidatin ist.

Beim Kandidatencheck kam mir aber eine Frage auf: Die Aussage „ Asylverfahren sollen in Staaten außerhalb der EU abgewickelt werden.“ lehnen Sie ab. Warum? Ich stimmte der Aussage zunächst zu. Denn so könnten wir doch Personen, die in die EU fliehen wollen, den gefährlichen Weg z.B. über das Mittelmeer doch ersparen. Flüchtende könnten dann zB in Algerien ihren Asylantrag stellen. Wenn der dann von EU-Behörden genehmigt wird, könnte man diese Person dann sicher in die EU fliegen. Würde das nicht viele Tote zB im Mittelmeer verhindern? Über eine Erläuterung würde ich mich freuen. Übersehe ich wichtige Details? Sie können gerne ausführlich antworten.

Ich danke für Ihre Antwort im Voraus.

Eine Frau mit blonden, schulterlangen Haaren blickt freundlich und selbstbewusst in die Kamera. Sie trägt eine schwarze Jacke mit goldenen Streifen. Im Hintergrund ist eine unscharfe städtische Szene mit Menschen und Gebäuden zu erkennen, die eine lebendige Atmosphäre vermittelt.
Antwort von
Die Linke

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre wohlwollenden Worte! Ich freue mich sehr über Ihr Interesse an meiner Kandidatur und die wichtige Frage, die Sie ansprechen.

Auf den ersten Blick klingt die Idee, Asylverfahren in Drittstaaten durchzuführen, tatsächlich wie eine pragmatische Lösung, um Menschen die gefährliche Flucht über das Mittelmeer zu ersparen. Doch wenn wir genauer hinschauen, zeigen die Erfahrungen und die Einschätzungen von Menschenrechtsorganisationen wie Sea-Watch, Pro Asyl und Human Rights Watch, dass diese Strategie gravierende Probleme mit sich bringt – sowohl für die Schutzsuchenden als auch für das Asylrecht selbst.

1. Asyl ist ein Recht – keine bürokratische Gnade

Das Recht auf Asyl ist individuell und darf nicht von geopolitischen Interessen abhängig gemacht werden. Die Genfer Flüchtlingskonvention garantiert Schutzsuchenden das Recht, einen Asylantrag dort zu stellen, wo sie Schutz suchen – und das sind in vielen Fällen EU-Staaten. Verfahren in Drittstaaten umgehen dieses Recht und führen dazu, dass die EU ihre Verantwortung an andere abgibt. Dies fängt schon damit an, dass in Drittstaaten zum Beispiel Anwält*innen, die sich mit deutschem/europäischem Asylrecht auskennen idR nicht verfügbar sind, so dass der Anspruch auf rechtlichen Beistand nicht gewährleistet werden kann. Das dieser fundamental ist, zeigen die zahllosen gewonnen Klagen gegen Ablehnungsbescheide, die sich als falsch herausgestellt haben - selbst innerhalb Europas.

2. Drittstaaten sind nicht sicher für Geflüchtete

Die meisten der Länder, die für solche Verfahren im Gespräch sind – wie Tunesien, Algerien, Ägypten oder Ruanda – sind alles andere als sichere Orte für Geflüchtete.

  • In Tunesien werden Migrant*innen und Geflüchtete von Behörden und rechtsextremen Gruppen verfolgt, in die Wüste deportiert und dort sich selbst überlassen.
  • Algerien hat in der Vergangenheit bereits tausende Menschen brutal in die Sahara abgeschoben, wo viele von ihnen verdurstet sind.
  • In Libyen, das bereits als Transitstaat für Abschiebungen dient, sind Folter, Vergewaltigung und Sklavenhandel an der Tagesordnung.

Ein „sicheres“ Asylverfahren kann in diesen Staaten schlicht nicht gewährleistet werden – im Gegenteil, Menschen würden in die Hände von Regimen gegeben, die nachweislich gegen Geflüchtete vorgehen - oft genug auch motiviert durch Abkommen zur Migrationsabweht mit Europäischen Staaten. Erwähnenswert ist hier der Deal zwischen Italien und Tunesien.

3. Abschreckung statt Schutz – das eigentliche Ziel der EU-Politik

Die Idee, Asylverfahren in Drittstaaten zu verlagern, wird oft als humanitäre Lösung verkauft. Doch in der Praxis geht es der EU nicht um Schutz, sondern um Abschottung.

  • Großbritannien hat mit Ruanda einen Vertrag abgeschlossen, um Asylsuchende dorthin abzuschieben – ohne dass ihr Asylantrag überhaupt geprüft wurde. Menschen werden also ohne Verfahrensgarantien in ein Land abgeschoben, in dem sie nicht sicher sind.
  • Dänemark und Italien haben ähnliche Pläne – doch nicht, weil sie Geflüchtete schützen wollen, sondern weil sie möglichst wenige Asylsuchende auf europäischem Boden haben möchten.

Wenn es der EU wirklich darum ginge, sichere Wege für Schutzsuchende zu schaffen, dann müsste sie legale und sichere Fluchtrouten ermöglichen – nicht Menschen in gefährliche Lager außerhalb Europas verfrachten.

4. Sichere Wege gibt es längst – sie müssen nur ausgebaut werden

Es gibt bereits Möglichkeiten, Schutzsuchende sicher nach Europa zu bringen – sie werden nur viel zu wenig genutzt:

  • Humanitäre Visa könnten in Botschaften der EU-Länder vergeben werden, damit Menschen gar nicht erst auf gefährliche Fluchtrouten angewiesen sind.
  • Resettlement-Programme des UNHCR funktionieren bereits, werden aber von den EU-Staaten kaum genutzt.
  • Statt Milliarden in Grenzschutz und Deals mit Diktaturen zu stecken, könnte die EU sichere Korridore für besonders Schutzbedürftige einrichten.

Mein Fazit: Schutz muss an erster Stelle stehen

Ein System, das Geflüchtete zwingt, Asylverfahren in unsicheren Drittstaaten zu durchlaufen, bedeutet nicht Schutz, sondern Auslagerung des Problems auf Kosten von Menschenleben. Die EU hat die Mittel, Menschen sicher und legal Schutz zu bieten, ohne dass sie ihr Leben auf dem Mittelmeer riskieren müssen – sie entscheidet sich aber bewusst dagegen. Deshalb lehne ich die Externalisierung von Asylverfahren ab und kämpfe stattdessen für eine wirklich menschenrechtskonforme Asylpolitik.

Ich hoffe, dass meine Antwort Ihnen einen neuen Blickwinkel auf das Thema eröffnet. Vielen Dank für Ihre kritische Nachfrage – es ist wichtig, solche Diskussionen zu führen!

Mit freundlichen Grüßen
Lea Reisner

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Eine Frau mit blonden, schulterlangen Haaren blickt freundlich und selbstbewusst in die Kamera. Sie trägt eine schwarze Jacke mit goldenen Streifen. Im Hintergrund ist eine unscharfe städtische Szene mit Menschen und Gebäuden zu erkennen, die eine lebendige Atmosphäre vermittelt.
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