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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Heiner H. •

Frage an Konstantin von Notz von Heiner H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr von Notz!

Ich las heute im Hamburger Abendblatt den Artikel "Die Steuertricks von Apple und Amazon"
und habe den folgenden Leserbrief gechrieben:

Die Steuertricks von Apple und Amazon vom 26.11.12

Diese KRITiken passt leider in die Zeit - von A wie Apple bis Z wie Zumwinkel. Und ich bin sicher, dass außer den genannten auch viele unserer deutschen Konzerne ihre Steuerschuld runterrechnen.
Gut Herr Iken - kein Kaffee mehr von Starbucks, keine Bestellung über Amazon (die zahlen überdies ihren Angestellten unmoralische Niedrigstlöhne!) und statt bei Google kann man auch woanders gucken!
Aber unbedingt muss man es sie auch wissen lassen!
Und das geht per e-mail an die Betreffenden und/oder über Europa- und Bundestagsabgeordnete. Über z.B. Campact kann man auch seinen Protest artikulieren.

Nun die Frage an Sie: Ist geplant in der nächsten Zeit darüber zu diskutieren und zu befinden?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hollatz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 26. November 2012, zu deren Beantwortung ich leider jetzt erst gekommen bin.

Diese Art der sogenannten Steuergestaltung wird von großen Unternehmen leider sehr häufig angewendet. Dieses Vorgehen fällt Unternehmen der IT-Wirtschaft noch leichter als anderen Unternehmen, weil diese zur Gewinnverlagerung Lizenzgebühren für ihre Patente nutzen können. Die korrekte Höhe solcher Lizenzgebühren lässt sich nur schwer bestimmen und die Patente lassen sich leicht in Niedrigsteuerländer übertragen.

Die Modelle funktionieren vereinfacht ausgedrückt so, dass das betreffende Unternehmen, z.B. Google, seine Patente einem Unternehmen in einem Niedrigsteuerland (hier Bermuda) überträgt. In diesem Land gibt es dann keine oder nur eine sehr geringe Unternehmensbesteuerung oder aber sogar einfach eine komplette Ausnahme von der Steuerbefreiung von Lizenzgebühren.

Die europäischen Tochterunternehmen zahlen dann einen großen Teil ihres Gewinnes an Lizenzgebühren an das Unternehmen in der Steueroase. Diese Ausgaben mindern den Gewinn in Euro per anno, der dann sehr niedrig ausfällt. Dementsprechend werden kaum noch oder in einigen Fällen sogar gar keine Steuern mehr bezahlt.

Um dies zu erreichen, werden die entsprechenden Zahlungen zusätzlich über ein europäisches Land geleitet, dass keine Quellensteuern auf derartige Zahlungen erhebt. Bei den von Ihnen genannten Unternehmen handelt es sich um Irland. Es würden aber auch Zypern und andere Mitgliedsländer der Union in Frage kommen.

Da innerhalb Europas meist keine Quellensteuern erhoben werden dürfen, kann die Lizenzzahlung dann z.B. steuerfrei erst von Deutschland nach Irland und von dort nach Bermuda geleitet werden.

Europa fungiert gewissermaßen insgesamt auch als Steueroase, weil man die Beschränkungen im Geschäftsverkehr innerhalb Europas im Zuge des freien Binnenmarktes abgeschafft hat. Anders als die USA können europäische Länder Steuergestaltung also nur noch gemeinsam, aber nicht mehr einzeln bekämpfen. Es gibt aber Länder in Europa, die daran kein Interesse haben, was entschlossene Gegenmaßnahmen auf europäischer Ebene erheblich erschwert, da die entsprechenden Steuerbeschlüsse in der EU einstimmig gefasst werden müssen.

Als Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen haben wir ein sehr umfassendes Programm an Forderungen zur Bekämpfung von einer solchen Steuergestaltung. Mit Blick auf diese Fälle sind vor allem zwei Maßnahmen besonders wichtig:

1. ein sogenanntes „country-by-country-reporting“ von Unternehmen. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Gewinne, Umsätze, Löhne und eben auch ihre Zahlungen von Lizenzgebühren, Zinsen etc. länderbezogen offenlegen müssen. Der Sinn dahinter ist, dass Transparenz bezüglich einer solchen Steuergestaltung bestimmter Unternehmen hergestellt wird. In den Fällen von Google, Amazon etc. war diese mehr oder weniger zufällig ans Licht gekommen. Wir gehen aber davon aus, dass zahlreiche weitere Unternehmen, darunter auch deutsche Konzerne, entsprechende Spielräume nutzen, dies aber bislang nicht an das Licht der Öffentlichkeit kommt. Um das Problem der Gewinnverlagerung in seinem gesamten Ausmaß zu erkennen, brauchen wir daher mehr Transparenz. Die Offenlegung des Problems kann dann wiederrum einen politischen Druck erzeugen, der dazu führt, dass man sich innerhalb der EU auf Maßnahmen zur Bekämpfung entsprechender Praktiken verständigt.

2. Eine solche Maßnahme wäre in etwa eine Quellensteuer auf Lizenzgebühren sobald diese an ein außereuropäisches Unternehmen gezahlt werden. Nach einem solchen Szenario würde die EU also z.B. eine 15%ige Quellensteuer auf Lizenzgebühren, Zinsen etc. einführen, die von europäischen Unternehmen an außereuropäische Unternehmen gezahlt werden müssten. Diese Quellensteuer sollte dann die Mindestbesteuerung solcher Gewinne sicherzustellen.

Mit freundlichen Grüßen nach Ahrensburg
Ihr Konstantin v. Notz

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