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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sebastian L. •

Frage an Konstantin von Notz von Sebastian L. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr von Notz,

in der EU wird gerade darüber debattiert ob, wann und wie man die offshore Ölbohrungen in der EU noch sicherer machen kann. Haben wir den Blick für das wesentliche verloren ? Nigeria (vielleicht halb Afrika) wird zur Kloake der Industriestaaten und versinkt im Öl und Dreck. Die Multinationalen Konzerne machen dort was sie wollen, egal ob den Menschen dort Ihre Lebensgrundlagen zerstört wird oder die Urwälder unwiederbringlich vernichtet werden. Die Manager und verantwortlichen Politiker leben hier im Paradies wo ein Ölwechsel im Wald (zum Glück) hart bestraft wird und moralisch ein absolutes nogo ist. Dort sterben Menschen und die Verursacher werden als „ehrenwerte Gesellschaft“ auf Banketten und Kongressen hofiert...

Was tuen Sie und Ihre Fraktion um diesen Wahnsinn zu beenden ?

MfG Sebastian Lindemann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lindemann,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage und das Interesse an der Arbeit der grünen Bundestagsfraktion.

Wir wollen weg vom Öl, das ist auch der beste Weg um die von Ihnen beschriebenen Probleme rund um die Förderung von Erdöl zu lösen -- egal ob in Amerika, in Deutschland oder in Afrika. Dies haben wir nicht nur in sämtlichen von uns verfassten Energiekonzepten festgelegt, dies ist auch unser tägliches Handeln im Parlament.

Der steigende Ölpreis verleitet zu immer riskanteren Fördermethoden, die unsere Abhängigkeit vom Erdöl zementieren und katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt immer wahrscheinlicher machen. Die Katastrophe vor Amerikas Küste zeigt, dass die Ausbeutung der Ölreserven heute zu einer Hochrisikotechnologie geworden ist.

Das Desaster der Deepwater Horizon hat eine der größten Ölkatastrophen der Geschichte verursacht. Alle hier gemachten Versäumnisse müssen unverzüglich aufgearbeitet werden. Es ist unabdingbar, massiv in die Sicherheit und in Sicherheitsforschung zu investieren. Die notwendigen Vorkehrungen müssen modernsten Standards genügen.

Eine Katastrophe wie die im Golf von Mexiko droht überall dort, wo Öl gefördert wird. Gründe genug, um die Bundesregierung zu fragen, welche Gefahren den deutschen Küsten drohen könnten. Mit Fragen zu den Sicherheitsvorkehrungen in der Nord- und Ostsee sowie Haftungsfragen im Katastrophenfall wollten wir herausbekommen, ob die geltenden Regeln ausreichen.

Mit der Antwort auf eine von uns gestellte Kleine Anfrage haben sich alle Befürchtungen bestätigt: Die Haftung von Konzernen bei Katastrophenfällen ist unzureichend. Eine Deckungsvorsorge, also eine Art Fonds, aus dem im Schadensfall Kompensationen geleistet werden, gibt es nur für Ölunfälle auf Schiffen -- für Ölplattformen jedoch nicht.

Im Falle einer Katastrophe kann es damit passieren, dass niemand für die irreparablen Schäden haftet, die entstehen würden, wenn es zu einer vergleichbaren Katastrophe im Wattenmeer käme.

Bereits am 7. Mai 2010 hat der Bundestag auf Antrag der Grünen über das Thema beraten. Meine Kollegin Valerie Wilms betonte für die grüne Fraktion, dass uns ohne eine Abkehr vom Öl langfristig weitere Katastrophen drohen.

Den Antrag der grünen Bundestagsfraktion finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/015/1701572.pdf

Wie Sie richtig schreiben, erlebt auch die afrikanische Küste derzeit einen wahren Erdöl-Boom. Hier wird Öl oftmals mit nicht tolerierbaren Methoden gefördert. Auch die Weltbank bzw. ihre Tochter IFC (Internationale Finanz-Corporation) beteiligt sich hier durch Kredite, die Erdölunternehmen gewährt werden, an der Förderung, wie z. B. 2009 im Falle des Jubilee-Ölfelds vor der Küste Ghanas.

Gerade auch im afrikanischen Nigerdelta kommt es derzeit im Zuge von Ölförderungen, die wenigen großen Konzernen saftige Gewinne bescheren, zu irreparablen Schäden der Natur. Hier wird mit Methoden Öl gefördert, die andernorts -- aus gutem Grund -- längst verboten sind. Die mehrere tausend Kilometer langen Ölpipelines durch Nigerdeltas, welche oftmals völlig veraltet sind, sind hierfür ein gutes Beispiel: Durch ihre Lecks kommt es immer wieder zu Öl-Havarien, durch die nach Schätzungen bisher mehrere Millionen Liter Öl in die Natur geflossen sind.

Es ist nicht länger hinnehmbar, dass Großkonzerne hier auf Kosten der Natur und der lokalen Bevölkerung saftige Gewinne einstreichen und dafür auch noch Fördermittel bekommen. Auch dies thematisieren wir in unserem Antrag und fordern die Bundesregierung u.a. dazu auf, sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass Weltbank, regionale Entwicklungsbanken und die Europäische Investitionsbank keine Kredite mehr an Erdölunternehmen vergeben und stattdessen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investieren. Außerdem fordern wir die Bundesregierung auf, sich auf europäischer und internationaler Ebene für strengste Umwelt- und Sozialstandards bei der Erdölförderung einzusetzen.

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Lindemann, Ihnen aufgezeigt haben zu können, dass meine Fraktion und ich alles in unserer Macht stehende tun, um eine Wiederholung der Katastrophe, wie wir sie im Golf von Mexiko erlebt haben, zu verhindern und uns gleichzeitig dafür einsetzen, dass da, wo heute noch Öl gefördert wird, höchste Umweltstandards eingehalten werden.

Unser Ziel, das ist meine feste Überzeugung, muss es jedoch weiterhin sein, so schnell wie möglich "Weg vom Öl" zu kommen und konsequent den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranzutreiben -- nicht zuletzt, weil wir damit das Risiko einer Wiederholung derartiger Katastrophen verringern und die Abhängigkeit afrikanischer Staaten von wenigen Großkonzernen, die immer wieder zu den von Ihnen beschriebenen Problemen führen, verringern. Hierfür werden wir uns auch weiterhin einsetzen.

Herzliche Grüße nach Trittau

Dr. Konstantin von Notz

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