Frage an Klaus-Peter Willsch von Peter S. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Willsch,
in der Presse hört man, dass Banken Hypothekendarlehen von privaten Darlehensnehmer (Häuslebauer) an andere Banken weiterverkaufen und diese dann u.U. die gesammte im Grundbuch abgesicherter Hypothek einfordern bzw. das Haus versteigern auch wenn der Darlehensnehmer alle Zins- und Tilgungsforderungen rechtzeitig gezahlt hat. Noch schlimmer ist es, wenn auch der bereits getilgte Darlehensbetrag nochmals eingefordert wird, weil ja die Grundschuld mit der einhergenden Tilgung nicht reduziert wird.
Frage: Ist das vom Gesetzgeber so gewollt? Sehen Sie hier Handlungsbedarf? Ist das Vorgehen sittenwidrig, wenn zwangweise mehr gefordert wird als vertraglich vereinbar? Wie verhält sich die Nassauische Sparkasse, in dessen Vorstand Sie sind? Verkauft die Nassauische Sparkasse auch Hypothekendarlehen?
Für Ihre Antwort schon im Voraus vielen Dank und freundliche Grüße
Peter Semmel
Sehr geehrter Herr Semmel,
gerne antworte ich Ihnen auf Ihre Frage vom 23. Januar 2008 zum Thema Kreditverkäufe von Banken.
Die Union und die Bundesregierung nehmen die Sorgen der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Verkauf von Immobilienkrediten sehr ernst und beobachten aufmerksam die von Ihnen angesprochenen Medienberichte. Richtig ist, dass Banken Forderungen aus Grundschulden und Hypothekenkrediten auch ohne Zustimmung des Kreditnehmers verkaufen dürfen. Das haben Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht erst kürzlich bestätigt. Nicht richtig ist allerdings, dass Kreditkäufer die Forderungen in Höhe der Grundschuld ohne weiteres zwangsversteigern können – auch ohne Rücksicht darauf, ob der Kreditnehmer seine Zins- und Tilgungsverpflichtungen bisher pünktlich und vollständig erfüllt hat.
In einigen Presseberichten wurde eine Gesetzeslücke bei der so genannten „Sicherungsabrede“ erwähnt. Wie Sie wissen, verlangen Banken bei der Kreditvergabe zur Finanzierung einer Immobilie zu deren Sicherung vom Kreditnehmer in der Regel die Bestellung einer Grundschuld. Diese wird ins Grundbuch der Stadt oder Gemeinde eingetragen. Die Grundschuld wird in der Praxis durchweg höher angesetzt als die Kreditsumme, weil die Banken mit dieser Summe auch die Kosten absichern wollen, die ihnen entstehen würden, wenn der Kunde den Kredit nicht zurückzahlen würde. Durch seine Tilgungsleistungen trägt der Kreditkunde seine Kreditschuld nach und nach ab. Die Grundschuld bleibt dagegen in voller Höhe bestehen. Sie erlischt erst, wenn der Kreditkunde sie – nach vollständiger Tilgung der Kreditschuld – auf Antrag und im Einvernehmen mit der Bank aus dem Grundbuch löschen lässt. Die Bank garantiert jedoch dem Kunden mit der oben erwähnten Sicherungsabrede, dass sie bei Nichteinhaltung des Kreditvertrages durch den Kunden (z.B. durch Zahlungsverzug) von der Grundschuld nur in Höhe des noch offenen Kreditbetrages Gebrauch machen wird.
Wenn die Bank nun einen durch Grundschuld gesicherten Kredit verkauft, verschlechtert sich die Rechtsposition des Kreditnehmers grundsätzlich nicht. Der Kreditvertrag wird in der Form, in der er zwischen Kreditnehmer und der Bank vereinbart wurde, übernommen. In der Regel gehen die Käufer von Krediten auch die Verpflichtung ein, sich an die Sicherungsabrede zwischen Kreditnehmer und Bank zu halten. In der Praxis ist es daher eigentlich ausgeschlossen, dass der Kreditkäufer eine Grundschuld in vollem Umfang zwangsvollstreckt, obwohl der Kredit pünktlich und vollständig mit Zins und Tilgung bedient wurde.
Die von den Medien erwähnte Gesetzeslücke bezieht sich auf den theoretischen Fall, dass die Grundschuld als Grundpfandrecht und die Sicherungsabrede, in der sich die Tilgungen widerspiegeln, getrennt voneinander veräußert würden. Ein Kreditkäufer könnte somit isoliert die Grundschuld erwerben, die während der Darlehenslaufzeit konstant bleibt, und diese dann ohne Rücksicht auf die bislang geleisteten Tilgungen einfordern. Allerdings macht sich die Bank, die eine solche Trennung ermöglicht, nach Ansicht von Juristen schadensersatzpflichtig.
In der Praxis gab es bislang keinen solchen Fall, die Kreditkäufer haben stets auch die Sicherungsabrede übernommen. Dennoch drängt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion darauf, diese theoretische Gesetzeslücke zu schließen, um jeglichen Missbrauch von verkauften Krediten zuverlässig auszuschließen. Im September des vergangenen Jahres hat im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ein Fachgespräch zum Verkauf von Kreditforderungen mit zahlreichen Experten aus der Wirtschaft und der Wissenschaft stattgefunden. Inzwischen hat die Bundesregierung ein „Risikobegrenzungsgesetz“ vorgeschlagen, dessen Entwurf der Deutsche Bundestag zurzeit berät. Dadurch sollen die Banken gesetzlich verpflichtet werden, Kreditnehmer besser und rechtzeitig zu informieren, wenn deren Kredite verkauft werden sollen bzw. dass Zinsbindungsfristen auslaufen und welche rechtlichen Folgen das haben kann. Auch ein Sonderkündigungsrecht bei Kreditverkauf und eine automatische Übertragung der Sicherheitsabrede auf den Kreditkäufer sind im Gespräch.
Ferner erwägen wir Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Zwangsvollstreckungsrecht. Damit könnten Härten bei einer Zwangsvollstreckung von notleidenden Krediten durch Kreditkäufer gemildert werden. Außerdem fehlt es offenkundig an Transparenz bei Verkäufen von Kreditforderungen, insbesondere bei Verkäufen an Stellen außerhalb der EU. Dies gilt es nach Ansicht der Union zu verbessern.
Die genannten Maßnahmen wurden in der vergangenen Woche bei einer Expertenanhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages erörtert. In den kommenden Wochen werden wir mit unserem Koalitionspartner SPD über das weitere Vorgehen beraten. Ich kann Ihnen versichern: Meine Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden uns für eine Lösung einsetzen, die die Rechte der Kreditnehmer stärkt, ohne den volkswirtschaftlich unverzichtbaren Markt mit Krediten auf Grundschulden zu gefährden. Wir sind überzeugt davon, dass dies möglich ist und erwarten von der Kreditwirtschaft, dass diese sich an der Lösung konstruktiv beteiligt.
Bezüglich Ihrer Frage zur Vorgehensweise der Nassauischen Sparkasse (Naspa)kann ich Ihnen mitteilen, dass es nicht der Geschäftspolitik der Naspa entspricht, vertragsgemäß bediente Kredite ohne Zustimmung von Kunden an Dritte zu verkaufen. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auch auf eine Pressemitteilung der Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband vom 23. Januar 2008 verweisen. Die Mitteilung mit dem Titel "Kreditverkauf: Grundschuld kann nicht losgelöst veräußert oder verwertet werden" können Sie im Pressebereich der Homepage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) abrufen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen helfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Willsch MdB