Frage an Klaus-Peter Willsch von Johannes-Martin G. bezüglich Gesundheit
Warum muß nicht jeder in die gesetzlichen Krankenversicherungen einzahlen. De facto haben wir eine Zweiklassengesellschaft durch die bisherige Regelung. In einigen Arztpraxen werden Privatversicherte bevorzugt behandelt. Heilpraktiker können sich auch nur Privatversicherte leisten und teure Medikamente bekommt man als gesetzlich Versicherter erst gar nicht. Ich selber muß mich mit erheblichen Nebenwirkungen herumschlagen, weil mir meine Ärztin ein besser verträgliches teures Medikament wegen der Kosten nicht verschreibt. Insbesondere männliche Singles müssen für die Privatversicherung deutlich weniger bezahlen als für die gesetzliche Krankenversicherung. Wo bleibt die Gerechtigkeit in diesem System?
Sehr geehrter Herr Goebel,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de, in der Sie das plurale System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung kritisieren. Gerne möchte ich Ihnen meinen Standpunkt dazu erläutern.
Deutschland verfügt über ein modernes und leistungsfähiges Gesundheitssystem, um das wir international beneidet werden. Bei Versorgungsqualität und -intensität gehört unser Land zur Weltspitze, kaum ein Gesundheitssystem gewährleistet einen besseren Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung für alle Bürger, unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft oder finanzieller Leistungsfähigkeit.
Es gibt gute Gründe, an dem bestehenden und historisch gewachsenen System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung festzuhalten. Eine Einheitsversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung, die beispielsweise von den Befürwortern des Modells einer so genannten "Bürgerversicherung" gefordert wird, ginge an den Problemen unseres Landes vorbei. Eine Umgestaltung des Systems nach diesem Konzept würde weder zu einer spürbaren Entlastung bei den Beiträgen noch zu einer Abkopplung der Gesundheits- von den Lohnkosten führen. Letztere ist jedoch ein wesentliches und unverzichtbares Element einer verantwortungsbewussten und nachhaltigen Politik. Eine enge Anbindung an die Lohnkosten vernichtet Arbeitsplätze, weil jede Kostensteigerung im Gesundheitswesen die Arbeitskosten weiter in die Höhe treibt. Die Finanzierung unseres Gesundheitssystems darf aber nicht zum Hindernis von mehr Wachstum und Arbeitsplätzen werden. Notwendig ist eine neue Balance zwischen solidarischen und eigenverantwortlichen
Finanzierungselementen.
Das Versprechen, alle Bürger in Deutschland in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen, könnte die Bürgerversicherung gar nicht halten. Zu einem solchen Schritt wären massive Eingriffe in bestehende private Versicherungsverhältnisse und in die Tätigkeit der privaten Krankenversicherungen notwendig, die das Grundgesetz nicht zulässt. Auch gäbe es bei einer Umgestaltung des Systems enorme Übergangsprobleme: Die öffentlichen Haushalte - und somit letztendlich die Steuerzahler - müssten für mehrere Jahrzehnte deutliche Mehrkosten tragen, wenn etwa für junge Beamte Beiträge in die Bürgerversicherung eingezahlt würden, während die Beihilfekosten für ältere Beamte weiterhin außerhalb dieser Bürgerversicherung bestünden.
Eine in der Öffentlichkeit weit verbreitete Meinung über Mitglieder privater Krankenversicherungen ist, dass diese sich der gesamtgesellschaftlichen Solidarität entziehen. Auch in Ihrer Anfrage klingt dieser Vorwurf mit. Dies ist jedoch unzutreffend. Die privat Krankenversicherten leisten sogar einen überaus wichtigen Solidarbeitrag zu unserem Gesundheitswesen. Die von privaten Versicherungen geleisteten höheren Vergütungen für medizinische Leistungen summieren sich auf einen jährlichen Mehrumsatz mehreren Milliarden Euro, was knapp einem Beitragspunkt in der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Viele Ärzte oder Kliniken wären ohne diese Gelder kaum in der Lage, teure Geräte und Infrastruktur zu finanzieren, von denen auch die gesetzlich Versicherten profitieren.
Der Tatsache, dass der Beitrag zu einer privaten Krankenversicherung für junge Männer häufig niedriger ist als der Beitrag zur gesetzlichen Versicherung, liegt im Geschäftsmodell der privaten Versicherung begründet: In der privaten Krankenversicherung wird für jede versicherte Person ein separater Beitrag erhoben. Die Einstufung erfolgt individuell aufgrund der Faktoren Alter, Geschlecht, dem Gesundheitszustand bei Vertragsabschluss und der zu versichernden Leistung. Junge, gesunde Personen bekommen von der PKV ein besonders günstiges Versicherungsangebot, die Beiträge werden jedoch mit zunehmendem Alter und damit verbundenem Krankheitsrisiko sukzessive erhöht. Während gesetzlich Versicherte nach einer Beitragserhöhung problemlos die Krankenkasse wechseln können, sind Privatpatienten in der Regel an ihre Kasse gebunden. Denn aktuell gehen mit dem Wechsel des Versicherers alle Altersrückstellungen verloren, die der Kunde bis dahin angespart hat. Für ältere Versicherte sind die Prämien der privaten Versicherungen im Vergleich mit gesetzlich Versicherten deutlich höher. Bitte bedenken Sie auch, dass privat Krankenversicherte ihre nicht erwerbstätigen Familienangehörigen, insbesondere ihre Kinder zusätzlich versichern müssen.
Obwohl selbst Mitglied einer Ersatzkasse, sehe ich in der privaten
Krankenversicherung eine tragende Säule unseres Gesundheitssystems und halte
sie auf Dauer für unverzichtbar.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Willsch MdB