Frage an Klaus Brandner von Roland H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Brandner,
was halten Sie von der Idee der direkten Demokratie, die in einigen anderen Ländern schon reibungslos funktioniert? Warum sträuben sich die deutschen Politiker so sehr gegen die Neuerungen. Mal abgesehen vom angeblichen "Machtverlust"?
Sind die europäischen Machtlobbies schon so stark, dass unsere Politiker sich nicht mehr dagegen wehren können?
Ich würde mich sehr über eine Ehrliche, menschliche Antwort freuen.
Liebe Grüße, Roland Hanske
Sehr geehrter Herr Hanske,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie verweisen darin auf die in anderen Ländern funktionierenden Elemente direkter Demokratie. Auch in Ländern und Kommunen in Deutschland haben Bürgerinnen und Bürger verschiedene Möglichkeiten, sich direkt und unmittelbar an demokratischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.
Auf Bundesebene sieht unser Grundgesetz Volksabstimmungen bisher nur bei der Veränderung der Ländergrenzen vor. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits 1993, im Anschluss an die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission, einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem ein Volksentscheid auf Bundesebene ermöglicht werden sollte. Im Jahr 2002 hatten wir zusammen mit dem damaligen Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen erneut einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid eingebracht. Da dafür eine Verfassungsänderung notwendig ist, ist im Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ohne die Zustimmung von der Union kommt diese Mehrheit nicht zu Stande. Im Jahr 2004 haben wir nochmals versucht, die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag zu überzeugen, ihre ablehnende Haltung aufzugeben. Wir halten an unserem Vorhaben fest. Daher stand im Wahlmanifest der SPD zur Bundestagswahl 2005: „Wir brauchen mehr direkte Demokratie und damit den Volksentscheid.“ Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU konnte 2005 leider nur vereinbart werden: „Die Einführung von Elementen der direkten Demokratie werden wir prüfen.“ Die CDU/CSU-Fraktion ist aber bis jetzt bei ihrer ablehnenden Haltung geblieben. Den Standpunkt der SPD haben wir nochmals im Hamburger Parteiprogramm von 2007 mit den Worten bekräftigt: „Der Verbindung von aktivierendem Staat und aktiver Zivilgesellschaft dient auch die direkte Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide. In gesetzlich festzulegenden Grenzen sollen sie die parlamentarische Demokratie ergänzen, und zwar nicht nur in Gemeinden und Ländern, sondern auch im Bund.“
Ich bedaure sehr, dass wir die Union zu einer solchen Verfassungsänderung für mehr Demokratie bisher nicht bewegen konnten. Ich versichere Ihnen, dass die SPD sich weiterhin für mehr Bürgerbeteiligung und Elemente direkter Demokratie einsetzten wird.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Brandner, MdB