Frage an Klaus Brandner von Andreas M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Brandner,
wann wird der ALG II Satz angepasst? Ich denke, Ihre Partei wollte das bis November 2007 geprüft haben, sagte der damalige Arbeitsminister Müntefering.
Herr Westerwelle hat an diesem Wochenende Menschen als stinkfaul bezeichnet. Obwohl auch Aufstocker ALG II beantragen müssen. Dennoch hat Herr Beck in Nürnberg eine Ampel als eine Option für 2009 angeregt. Kann das sein Ernst sein? Mit dieser FDP kann man m.E. lediglich eine weitere Privatisierungspolitik, und eine Umverteilung von unten nach oben erreichen. Mindestlohn u.v.a.m. kann die SPD doch niemals mit der FDP durchsetzen. Mir erscheint es so, als möchte die SPD nur vor Wahlen bei den Ärmeren punkten um danach mit der FDP eine weitere Umverteilungspolitik durchzusetzen. Stimmt mein Eindruck? Machen Sie einen Koalitionsvertrag von der Einführung eines Mindestlohns abhängig?
Die Riesterrente ist m.E. eine Umverteilung von unten nach oben. Denn die Verkäuferin oder der Arbeiter können sich diese nicht leisten. Müssen aber für Bessergestellten den staatlichen Zuschuss über ihre Steuern mitfinanzieren. Ist das Ihrer Meinung nach gerecht?
Und was sagen Sie zur " Göttinger Gruppe". Wo Anleger auf Ihr Geld warten.
Siehe diesen Link:
http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~EA020648CDB0F4C3E872E989305A257D5~ATpl~Ecommon~Scontent.html
In diesem Link kann man sehen, dass viele Anleger auf ihr Geld warten. Die "Göttinger Gruppe" aber Insolvenz beantragt hat. Und Herr Lambsdorff, Herr Genscher u.a. Politiker für das Produkt zuvor geworben haben.
In der ARD kam, dass Herr Steinbrück die EU-Richtlinie nicht umsetzen will und dazu jedes Interview ablehnte. Warum weigert sich Ihr Genosse das zu tun?
Und finden Sie es richtig, dass Prominente wie Herr Lambsdorff oder Herr Genscher für dieses Produkt werben und wohl kassieren durften, und sich nun aus der Verantwortung drücken dürfen? Wäre es nicht richtig , dass der der wirbt auch mithaften muss?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Maly
Sehr geehrter Herr Maly,
vielen Dank für Ihre Fragen, die verschiedene Themen berühren und mich auch noch zu einem Kommentar zu einer Äußerung des Abgeordneten Westerwelle verleiten könnten, aber das lasse ich an dieser Stelle. Nur so viel: Der SPD ist es mit dem Mindestlohn ernst, denn ein gerechter Lohn ist das mindeste, was zu guter Arbeit gehört. Mindestlöhne sind kein Allheilmittel, aber sie können helfen, dass Beschäftigte in Vollzeitarbeit ihren Lebensunterhalt für sich selbst bestreiten können und nicht so häufig wie heute auf staatliche Unterstützung z.B. über Arbeitslosengeld II angewiesen sind.
Wir werden bei jedem möglichen – heutigem wie künftigen – Koalitionspartner dafür streiten, dass der gesetzliche Rahmen zur Durchsetzung von Mindestlöhnen geschaffen wird. Wie Sie wahrscheinlich wissen, haben wir nach schwieriger Diskussion innerhalb der Großen Koalition nun zwei Gesetzentwürfe mit Änderungen zum Arbeitnehmerentsendegesetz und zur Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen vorgelegt.
Zum 1. Juli wurden das Arbeitslosengeld II/Sozialgeld und die Regelsätze der Sozialhilfe zusammen mit der Rentenanpassung um 1,1 Prozent erhöht. Die Regelleistung für einen Haushaltsvorstand beträgt dann 351 Euro im Monat. Die Regelleistungen für Kinder steigen entsprechend auf 211 Euro für Kinder unter 14 Jahren und 281 Euro für Kinder ab 14 Jahren. Dies ist die gesetzlich vorgesehene Regelung, die in den Jahren gilt, bis die Regelsätze der Sozialhilfe bzw. die Regelleistungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende wieder auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) neu bemessen werden. Damit wird ein Gleichklang der Entwicklung von sozialen Leistungen in Deutschland sichergestellt und gewährleistet, dass Leistungsempfänger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein Leben vergleichbar zu anderen Bürgern mit niedrigem Einkommen führen können. Insbesondere wird so erreicht, dass die staatlichen Leistungen, die aus den Steueraufkommen aller Bürger finanziert werden, nicht schneller ansteigen als die Einkommen.
Ihre Frage zielte vor allem auf die Aussage von Franz Müntefering aus dem letzten Herbst ab, angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten für alle auch den Anpassungsmechanismus für die Existenz sichernden Leistungen Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld und Sozialhilfe zu überprüfen. Diese Diskussion läuft noch innerhalb der Bundesregierung und in den Ausschüssen des Deutschen Bundestags. Vorschläge wie z.B. zur Kopplung des sozio-kulturellen Existenzminimums an die Inflation überzeugen mich da nicht. Aus meiner Sicht sollten wir eher an zusätzliche Leistungen für Kinder im SGB II und in der Sozialhilfe denken, wenn im zweiten Halbjahr über allgemeine Leistungsverbesserungen für Kinder (Kindergeld, Kinderfreibetrag) zu entscheiden sein wird.
Ihre Einschätzung zur Riester-Rente kann ich gar nicht teilen. Es ist ganz unstreitig, dass gerade Geringverdiener und kinderreiche Familien von der Riester-Rente profitieren. Auch Verbraucherschutzorganisationen wie der Bund der Versicherten, der einer besonderen Regierungsfreundlichkeit sonst nicht unbedingt verdächtig ist, bestätigen dies.
Bei der Riester-Rente entscheiden Sie sich zuerst für ein Vorsorgeprodukt, mit dem Sie Kapital für Ihr Alter ansparen wollen. Das kann etwa eine private Rentenversicherung, ein Fondssparplan oder ein Banksparplan sein. Zum Eigenbeitrag gibt der Staat Geld hinzu. Die Zulage wird direkt auf den Sparvertrag gezahlt. Außerdem lassen sich Steuern sparen: Aufwendungen für die zusätzliche Altersvorsorge können bei der Steuererklärung als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Vor allem wegen der Kombination aus staatlichen Zulagen und möglichem Sonderausgabenabzug ist die Riester-Rente für kinderreiche Familien und Geringverdiener interessant: Bei Geringverdienern können über 90 Prozent des Gesamtguthabens aus öffentlicher Förderung und Zinsen bestehen. Alles, was dazu erforderlich ist, ist ein Mindesteigenbetrag von 5 Euro im Monat, der für jeden erschwinglich sein sollte.
Seit 2008 ist die Förderung noch attraktiver: Die Grundzulage – also der Betrag, den der Staat pro Jahr zum "Riestern" hinzu gibt – hat sich von 114 Euro auf 154 Euro erhöht. Die Kinderzulage ist von 138 Euro auf 185 Euro gestiegen. Für Kinder, die im Jahr 2008 oder später geboren werden, erhöht sich die Zulage sogar auf jährlich 300 Euro.
Zur Göttinger Gruppe ist Folgendes zu sagen: Seit den 1980er Jahren hatten verschiedene Unternehmen der Göttinger Gruppe, insbesondere die Göttinger Gruppe Vermögens- und Finanzholding GmbH & Co. KGaA und die Securenta AG, gegen die Ausgabe von Aktien und vor allem im Rahmen so genannter stiller Beteiligungen Anlegergelder angenommen. Zu den Gesellschaften sind gegenwärtig Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Göttingen anhängig. Die dabei im Mittelpunkt stehenden stillen Beteiligungen (so genannte atypisch stille Beteiligungsverträge) sind mit einer Gewinn- und Verlustteilnahme an den Unternehmen ausgestaltet. Derartige Anlageformen sind nicht erlaubnispflichtig. Maßgeblich sind die allgemeinen Normen des Gesellschafts- und Zivilrechts. Hierbei ist es Verwaltungsbehörden generell nicht gestattet, im Interesse einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen einzugreifen. Für die Anleger besteht die Möglichkeit, anwaltlichen Rat einzuholen bzw. ggf. den Rechtsweg zu beschreiten.
Wie bei allen risikobehafteten Anlageformen ist dem Anleger vor der Entscheidung über eine derartige Geldanlage - vor allem mit Blick auf die Verlustbeteiligung - dringend anzuraten, sich über mögliche Risiken an kompetenter Stelle umfassend zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Brandner