Frage an Klaus Brandner von Wolfram K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Was haben Sie persönlich getan, um die massive Überversorgung bei den Abgeordnetenpensionen zu korrigieren?
Warum erhalten Sie als Abgeordneter 3.800 € steuerfreie Pauschale und ich muß als kleiner Selbständiger jede Parkquittung buchen?
Was tun Sie persönlich also gegen die Bevorzugung der Abgeordneten?
Mit freundlichen Grüssen
Wolfram Klemm
Sehr geehrter Herr Klemm,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 14. Mai 2008. Die öffentliche Debatte über die Abgeordnetenbezüge wird immer sehr erregt geführt. Erlauben Sie mir, dass ich sachlich Stellung beziehe.
Abgeordnete haben nach Artikel 48 Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung ("Diät"). Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schreiben vor, dass die Höhe der Entschädigung durch Gesetz festgelegt werden muss. Nicht nur die automatische Anpassung der Entschädigung, auch die Übertragung der Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an eine unabhängige Kommission ist daher ausgeschlossen. Der Bundestag und damit die Abgeordneten selbst müssen entscheiden.
Der Bundestag hat im vergangenen Jahr eine Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung verabschiedet. Die Entschädigung der Abgeordneten soll sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaber mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren. Als Richtgröße sollen die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern gelten. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R6.
Lassen Sie mich zunächst auf Ihre Frage nach Altersversorgung eingehen. Neben der Art und Weise, wie die Höhe der Diäten festgelegt wird, wurden bis letztes Jahr vor allem die Höhe des Altersversorgungsanspruches und die Steigerungssätze der Altersentschädigung kritisiert und dass das Modell der Altersversorgung von Abgeordneten weitgehend dem Vorbild der Beamtenversorgung folgte. Im Unterschied zu den Beamten, die meist ein ganzes Berufsleben lang für ihren jeweiligen Dienstherren (Gemeinde, Land, Bundesrepublik Deutschland) tätig sind, gehen Abgeordnete typischerweise vor und nach der Mandatszeit einer Erwerbstätigkeit nach. Anders als den Beamten, die im Alter auf eine Vollversorgung angewiesen sind, stehen ihnen meistens aus dieser Erwerbstätigkeit auch noch andere Versorgungsansprüche zu.
Wir haben daher die Kritik aufgegriffen und folgende Änderungen vorgenommen, um den Altersversorgungsanspruch abzusenken:
Die neuen Versorgungsregelungen sehen eine Abkehr von den bisherigen, sich an der Vollversorgung orientierenden Regelungen der Altersentschädigung in die Richtung einer lückenfüllenden Teilversorgung für die Mitgliedschaft im Parlament vor ("Baukastensystem"), die nur einen Teil des Berufslebens der Abgeordneten darstellt. Bisher erhielt ein Abgeordneter nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag für jedes Jahr seiner Mitgliedschaft eine Altersentschädigung in Höhe von 3 Prozent der monatlichen Diät. Das galt jedoch nur, wenn er mindestens acht Jahre lang Mitglied des Bundestages war. Nach diesen acht Jahren erhielt er also 24 Prozent der monatlichen Diät als Altersversorgung.
Nach der neuen Regelung sollen statt 3 Prozent nur noch 2,5 Prozent pro Jahr der Mitgliedschaft gezahlt werden. Nach acht Jahren im Bundestag erhält ein ehemaliger Abgeordneter dann nicht mehr 24 Prozent der Diät, sondern nur noch 20 Prozent. Der Steigerungssatz der Altersentschädigung, der bis 1995 noch 4 Prozent der Abgeordnetenentschädigung pro Jahr der Mitgliedschaft im Bundestag betrug, wird also von jetzt 3 Prozent weiter auf 2,5 Prozent herabgesenkt. Der Höchstsatz der Altersentschädigung von nunmehr 67,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung wird künftig erst nach 27 und nicht wie bisher bereits nach 23 Mandatsjahren erreicht. (Den Höchstanspruch erwerben aber nur wenige Abgeordnete, da die meisten Abgeordneten dem Bundestag nur zwei bis drei Legislaturperioden angehören). Ein Versorgungsanspruch im Alter entsteht nach dem Konzept der lückenfüllenden Teilversorgung nach dem ersten Jahr der Mitgliedschaft. Darüber hinaus wurde die Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung ("Rente mit 67") mit der stufenweisen Anhebung der Altersgrenze für die Altersentschädigung von dem 65. Lebensjahr auf das 67. Lebensjahr wirkungsgleich umgesetzt.
Die vom Bundestag im vergangenen Jahr beschlossenen neuen Regeln für die Altersversorgung der Abgeordneten entsprechen übrigens dem Vorschlag einer überparteilichen Expertenkommission, der sog. Kissel-Kommission, aus dem Jahre 1993 unter Vorsitz des damaligen Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, Prof. Dr. Otto Rudolf Kissel.
Nun zur Ihrer Frage nach der steuerfreien Kostenpauschale.
Nach § 12 Abgeordnetengesetz erhält ein Mitglied des Bundestages eine
monatliche Kostenpauschale für den Ausgleich insbesondere von
1. Bürokosten zur Einrichtung und Unterhaltung von Wahlkreisbüros
außerhalb des Sitzes des Deutschen Bundestages, einschließlich Miete und
Nebenkosten, Inventar und Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto,
2. Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages und bei Reisen mit
Ausnahme von Auslandsdienstreisen,
3. Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats innerhalb der
Bundesrepublik Deutschland unbeschadet der Regelungen in den §§ 16 und
17 und
4. sonstigen Kosten für andere mandatsbedingte Kosten
(Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung usw.), die auch sonst
nicht aus dem der Lebensführung dienenden beruflichen Einkommen zu
bestreiten sind.
Diese Kostenpauschale beträgt derzeit monatlich 3.782,00 Euro. Davon unterhalte ich z.B. mein Wahlkreisbüro in Gütersloh (Miete, Büromaterial, Nebenkosten, Porto etc.) und bezahle sämtliche Kosten, die im Rahmen meiner Wahlkreisbetreuung anfallen, sowie die Kosten für meine Zweitwohnung in Berlin.
Die Kostenpauschale wird übrigens gekürzt, wenn man sich an einem
Sitzungstag in Berlin nicht in die Anwesenheitsliste einträgt:
- bei unentschuldigtem Fehlen an einem Plenarsitzungstag um 100,00 Euro
- bei entschuldigtem Fehlen an einem Plenarsitzungstag um 50,00 Euro
- bei Versäumnis einer namentlichen Abstimmung um 50,00 Euro
- bei vom Präsidenten genehmigter Dienstreise um 20,00 Euro
- bei ärztlich nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit, Aufenthalt in einem
Krankenhaus oder Sanatorium um 20,00 Euro
- kein Abzug während der Mutterschutzfristen infolge Schwangerschaft,
ebenfalls kein Abzug, wenn ein, ärztlich nachgewiesen, erkranktes, im
Haushalt des/der Abgeordneten lebendes Kind, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mangels anderer in Haushalt dafür zur Verfügung stehender Aufsichtspersonen, persönlich betreut werden muss.
Sehr geehrter Herr Klemm, ich hoffe, ich konnte mit diesen Hinweisen zu einer Versachlichung der Debatte beitragen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Brandner