Frage an Klaus Brandner von Peter A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Brandner!
Nächstes Jahr tritt die sogenannte Dienstleistungsrichtlinie in Kraft. Dazu meine Frage: Warum können Firmen aus Polen und Tschechien schon heute hier ihre Arbeitnehmer aus ihren Ländern beschäftigen?
Und warum dürfen deutsche Schlachthöfe auf polnische und tschechische Billigarbeiter zurück greifen, wenn erst 2009 das Gesetz und die Freizügigkeit für diese Personengruppe in Kraft tritt?
Ich hatte einen Job als Fleischer. Mich hat man extrem unter Druck gesetzt, mit mir und meinen Kollegen machte man Mobbing. Heute wird mein Job von einigen jungen polnischen Arbeitern erledigt. Ich musste stempeln gehen und ich werde demnächst nach Österreich zum arbeiten müssen. Denn ich muss meine Wohnung abbezahlen und meine Familie über Wasser halten.
In einer Reportage des dritten Programms sah man, dass eine identische Fleischerfirma in Deutschland Polen beschäftigt und in Dänemark Deutsche. Es findet also ein Austausch statt, der in der Lohnentwicklung begründet ist.
Ich habe nichts gegen ausländische Menschen. Aber wir schützen den Arbeitsmarkt ja auch gegenüber anderen Menschen, z.B. aus Afrika oder Asien.
Ist es Ihrer Meinung nach gerecht, wenn ich nun von meiner Familie getrennt leben muss?
Selbst wenn es einen Mindestlohn usw. geben würde, mit den EU-Gesetzen, Verordnungen usw. wird der Arbeitsmarkt mit Billigstarbeiter in Unordnung gebracht. Es kontrolliert ja niemand die Schlachthöfe.
Warum hat Ihre Partei bei diesen EU-Verordnungen, Freizügigkeit usw. mitgemacht?
Die EU würde auch als Freihandelszone funktionieren. Man kann m.E. nicht immer mehr Länder aufnehmen.
Teilen Sie Herrn Köhlers Einschätzung, dass der ganze Balkan und Albanien in die EU aufgenommen werden sollen?
Es ist viel von den gesunkenen Arbeitslosenzahlen die Rede. Schauen Sie bitte mal auf die HP des Deutschen Bundestags und auf www.faz.de
Da können Sie sehen, dass 3,2 Mio. Erwerbslose gar nicht von der Statistik erfasst werden!
Sehr geehrter Herr Albrecht,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage vom 22. April 2008, in der Sie Fragen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit/grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung in der fleischverarbeitenden Industrie stellen und Missstände in dieser Branche benennen.
Zu Ihren Ausführungen nehme ich gerne Stellung:
Zunächst bedaure ich, dass Sie Ihre Arbeit als Fleischer verloren haben und gezwungen sind, von Ihrer Familie getrennt zu leben, um eine Tätigkeit in Österreich auszuüben.
Die Bundesregierung bekennt sich zur Erweiterung der Europäischen Union um die neuen Mitgliedstaaten. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine der Grundfreiheiten innerhalb der EU und wird als solche nicht in Frage gestellt.
Die Möglichkeit der alten Mitgliedstaaten, von den Übergangsfristen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit bis längstens 2011 (in Bezug auf die 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten) bzw. bis 2014 (in Bezug auf Rumänien und Bulgarien) Gebrauch zu machen, dient der schrittweisen Anpassung an die Situation der unterschiedlichen Arbeitsmärkte und soll Härten vermeiden helfen.
Derzeit benötigen Bürger aus den neuen Mitgliedstaaten, wie Polen und der Tschechischen Republik, noch grundsätzlich eine Arbeitsgenehmigung, wenn sie als Arbeitnehmer bei einem deutschen Arbeitgeber tätig werden wollen. Diese Arbeitserlaubnisse-EU können bis auf wenige Ausnahmen aber nur dann erteilt werden, wenn inländische Arbeitnehmer für die angestrebte Tätigkeit nicht zur Verfügung stehen (§ 284 Drittes Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit § 39 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz).
Es ist aber zu beobachten, dass in der Fleischindustrie gerade größere Betriebe teilweise ganze Abteilungen oder Produktionsbänder im Rahmen von Werkverträgen an ausländische Subunternehmer vergeben, die ihre Arbeitnehmer für die Dauer der zu erbringenden Dienstleistung nach Deutschland entsenden.
Seit dem EU-Beitritt dieser Länder sind für Werkverträge dieser Art die Regelungen der europäischen Dienstleistungsfreiheit maßgeblich. Danach können Arbeitnehmer grundsätzlich im Rahmen von Werkverträgen nach Deutschland entsandt werden. In der fleischverarbeitenden Industrie bestehen keine Übergangsregelungen hinsichtlich der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit. Betriebe aus den neuen Mitgliedstaaten können deutschen Unternehmen daher Dienstleistungen zu den Arbeits- und Lohnbedingungen ihrer Länder anbieten.
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) ermöglicht es zwar, tarifliche Mindestlöhne für alle Beschäftigten einer Branche verbindlich zu machen; und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat. Die Fleischindustrie gehört aber bislang nicht zu den Branchen, die in das AEntG aufgenommen sind oder ihr Interesse an einer derartigen Aufnahme in das AEntG bekundet haben. Die Erstreckung von Firmentarifverträgen auf alle in der Branche beschäftigten Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist nicht möglich.
Die Bundesregierung stimmt derzeit einen Gesetzentwurf zum Mindestarbeitsbedingungengesetz ab, um auch in Branchen, in denen Tarifverträge eine geringere Rolle spielen, Mindestlöhne zur Verhinderung von Sozialdumping und zum Schutz der inländischen Arbeitnehmer festsetzen zu können.
Darüber hinaus sind die staatlichen Kontrollen vor allem in Großbetrieben verstärkt worden und werden noch weiter verstärkt, um Schwarzarbeit zu verhindern und die Einhaltung der geltenden Vorschriften zum Schutz aller Arbeitnehmer zu gewährleisten.
Die von Ihnen angesprochene Dienstleistungsrichtlinie, die am 1.1.2009 in Kraft treten wird, steht mit dieser Thematik in keinem direkten Zusammenhang, da die Dienstleistungsrichtlinie keine originären Bedingungen für die Möglichkeit der Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen setzt.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Brandner