Frage an Klaus Brandner von helmut r. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Brandner,
Sie haben mal in der SZ erklärt, sich näher mit dem Treiben der Zeitarbeitsfirmen zu befassen. Ich habe nachträglich gehört, daß der frühere "Superminister" namens Clement jetzt im Aufsichtsrat bei den führenden Zeitarbeitsfirmen sitzt. Donnerwetter, dass muss doch eine gute Gelegenheit für eine Aufklärung aus sachkundigem Munde sein.
Bitte, lassen Sie mich wissen, ob Sie zum Thema "Zeitarbeit", was ja bekanntlich für betroffene Arbeitnehmer ein Problem ist, schon Näheres sagen können.
Ich danke Ihnen im voraus.
freundliche Grüße
Helmut Rohmann
Sehr geehrter Herr Rohmann,
der Sinn von Zeit- bzw. Leiharbeit besteht darin, kurzfristig die Auftragsschwankungen in einem Betrieb flexibel auszugleichen. Uns ist es wichtig, dass Zeitarbeit keine "normalen" Beschäftigungsverhältnisse verdrängt. Stattdessen kann und soll Leiharbeit auch als Brücke in ein Stammarbeitsverhältnis führen.
Im Gegenzug für die Lockerung zahlreicher Beschränkungen in der Zeitarbeit wurde im Gesetz der Grundsatz verankert, dass Zeitarbeitskräfte genauso viel verdienen müssen, wie vergleichbare Beschäftigte in den Einsatzunternehmen. Das heißt, dass in der Zeitarbeit entweder der Grundsatz gilt "Equal pay-- equal treatment" oder Tarifverträge zur Anwendung kommen. Diese Tarifklausel hat dazu geführt, dass seit 2003 diverse Tarifverträge in der Zeitarbeitsbranche abgeschlossen wurden und sich nunmehr fast alle Zeitarbeitunternehmen an einem dieser Tarifverträge orientieren. Was als Ausnahme gedacht war, ist zur Regel geworden. Damit geraten Entlohnungen und Arbeitsbedingungen, auch bei anderen Arbeitsverhältnissen in anderen Branchen unter Druck.
Ein Beispiel dafür ist der Tarifvertrag der sogenannten Christlichen Gewerkschafter. Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und der Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen (BZA) haben mit dem DGB Tarifverträge geschlossen. Danach verdienen Beschäftigte in Westdeutschland 7 EUR bzw. 7,38 EUR pro Stunde bei einer 35-Stundenwoche. Die Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA haben mit dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister AMP einen Tarifvertrag über 6,16 EUR pro Stunde abgeschlossen.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung dem Christlichen Gewerkschaftsbund die Tarifhoheit zugebilligt hat. Denn ich habe den Eindruck, dass hier ganz bewusst Dumping-Bedingungen organisiert werden, um die Tarifverträge, die mit der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes geschlossen worden sind, auszuhebeln.
Mir ist bewusst, dass in der Zeitarbeitsbranche keine rosigen Lohn- und Arbeitsbedingungen herrschen. Jedoch muss man auch sehen, dass der Lohnsenkungswettbewerb nach unten gestoppt wurde. Meiner Auffassung nach müssen sich die Tarifparteien dem Thema Zeitarbeit stärker widmen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich organisieren, um Einfluss auf ihre Lohn- und Arbeitsbedingungen zu nehmen. Auch Betriebsräte können den Einsatz von Leiharbeitern in ihrem Unternehmen beeinflussen. Sie sollten sich in ihren Betrieben für den Leitsatz "Gleiche Arbeit -- gleiches Geld" stark machen.
Für mich ist klar: Die Tariföffnungsklausel darf nicht weiter ein Einfallstor für niedrigere Löhne sein. Auch dürfen wir nicht zulassen, dass Beschäftigte dauerhaft als Zeitarbeiter zu Niedriglöhnen beschäftigt werden. Deshalb überlegen wir, was wir sowohl auf nationaler als auch insbesondere auf europäischer Ebene tun können, um Missbrauch wirksam einzudämmen.
Die SPD-Fraktion hat sich daher bei der EU-Kommission dafür eingesetzt, den Grundsatz der gleichen Bezahlung und der gleichen Arbeitsbedingungen für Zeitarbeitnehmer festzuschreiben.
Auf nationaler Ebene wäre ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eine gute Lösung. Sie lässt sich jedoch mit dem Koalitionspartner CDU/CSU derzeit nicht umsetzen. Nach zähem Ringen hat die SPD sich gegenüber der CDU/CSU insoweit durchgesetzt, als nun alle Branchen die Möglichkeit erhalten, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden. Ich hoffe, dass wir die Zeitarbeit hier aufnehmen können und so einen Mindestlohn in der Leiharbeitsbranche erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Brandner