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Klaus Brandner
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Frage von Dr. Anke K. •

Frage an Klaus Brandner von Dr. Anke K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Brandner,

gerne würde ich Sie nach der aktuellen Diskussion im Deutschen Bundestag fragen:

Wie stehen Sie zur Kritik der schleichenden Entmachtung des Parlamentes in Fragen des Euro-Rettungsfonds EFSF und wie werden Sie sich in der Frage Europa und Rettungsschirm selbst positionieren? Hier soll es ja zu einer Abstimmung ohne Fraktionszwang (der ja grundsätzlich nicht besteht) kommen.

Freue mich auf Ihre Antwort.

Viele Grüße
Anke Knopp

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Antwort von
SPD

Liebe Anke Knopp,

die Frage der Fraktionsdisziplin - vulgo „Fraktionszwang“ - stellt sich nun eher für die Regierungsfraktionen und hat für diese aufgrund des zerstrittenen Erscheinungsbildes eine Aufmerksamkeit erhalten, hinter der die sachlichen Problemstellungen eher zurückstehen.

Ich bedaure dies, denn es geht doch auch in der Zielrichtung Ihrer Frage eher um die Sicherung der Stabilität und die Zukunft unserer gemeinsamen Währung in der Eurozone. Und vor dem Hintergrund der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist meine Antwort: Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Europa.

Dabei ist die Rettung des Euro weit mehr als ein Akt der Nächstenliebe gegenüber Staaten, die nicht mehr in der Lage sind, ihre Schulden zu bezahlen. Die Rettung des Euro liegt im ureigensten deutschen Interesse. Die Rückkehr zu nationalen Währungen ginge mit einer massiven Verteuerung unserer Exporte einher, denn mit der Abwertung der anderen Währungen würde die D-Mark aufgewertet. Wechselkursrisiken führten zu weniger Handel. Aber rund 60 Prozent unserer Exporte gehen in die EU. Lassen wir also die Eurozone zerbrechen, werden die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzabbau die Hauptleidtragenden sein. Der Schaden für Deutschland wäre kaum abzuschätzen.

Deshalb ist es höchste Zeit, einen dauerhaften Krisenabwehrmechanismus mit klaren und glaubhaften Regeln zur Gläubigerbeteiligung, zum Schuldenabbau und zur Regulierung der Finanzmärkte zu schaffen und um einen europäischen Wachstumspakt zu ergänzen. Ich werde in den nächsten Tagen und Wochen gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss und in der Fraktion die aktuellen Vorschläge der Regierung diskutieren und prüfen und vom Ergebnis mein Abstimmungsverhalten abhängig machen.

Wichtig ist für mich, dass:

* wir innerhalb der Währungsunion zu ausgeglichenen
Leistungsbilanzen kommen. Dazu sinddie Ungleichgewichte
symmetrisch abzubauen. Es muss endlich Schluss sein mit
derLohnzurückhaltung insbesondere in Deutschland! In den
notleidenden Ländern müssen sich die Löhne und Gehälter an
Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit orientieren;
* eine Banken- und Finanzmarktregulierung kommt. Diese muss
einhergehen mit der Einführung einer europäischen
Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung von Spekulationen. Wir
brauchen mehr als Gläubigerbeteiligung: Mit der Rettung von
unterkapitalisierten Banken durch Staatsgarantien muss Schluss
sein. Wer ein hohes Risiko eingeht, muss auch dafür haften! Es
kann nicht angehen, dass der Staat die Zeche zahlt;
* die sog. Eurobonds nicht von vornherein von einer Lösung
ausgeschlossen werden. Einerseits profitieren durch teilweise
Gemeinschaftshaftung alle Länder von den insgesamt niedrigeren
Zinsen. Auf der anderen Seite bleibt der Reformdruck auf
verschuldete Staaten durch die weiter existierenden nationalen
Anleihen bestehen;
* wir einen sozialen Stabilitäts- und Wachstumspakt in Europa
verankern. Europaweite Mindestlöhne, beispielsweise ausgerichtet
an der Höhe nationaler Durchschnittseinkommen, sowie eine
Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage mit einem Mindestsatz zur
Vermeidung von Steuerdumping gehören dazu;
* die angestrebte Koordination der europäischen Wirtschafts- und
Finanzpolitik muss von Deutschem Bundestag und Europäischem
Parlament kontrolliert werden. Hier gilt: Mehr Demokratie wagen!

Sie sollten wissen, dass ich als überzeugter Europäer die Rückkehr zu nationalstaatlichem Handeln für falsch halte. Ebenso falsch ist es allerdings, dass wir in Europa uns durch die Finanzmärkte und Spekulanten treiben lassen. Jetzt müssen wir den Mut aufbringen, in verlässlichen Absprachen und Regelungen ein europäisches Gesamtpaket durchzusetzen, das Europa der Nationalstaaten schrittweise zu überwinden sowie die Europäische Union zu einer politischen Union fortzuentwickeln.

Ich freue mich, dass ich Sie dabei - in kritischer Distanz - an meiner Seite weiß.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Brandner, MdB