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Frage von Michael G. •

Frage an Klaus Brandner von Michael G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brandner,

bitte stimmen Sie im Bundestag gegen den EU Rettungsschirm. Ein bail out darf nicht gemacht werden, da dieses die widerrechtliche Verschenkung von Steuergeldern darstellt und das Volk die Politik dafür nicht legitimiert hat.

In Erwartung Ihrer Stellungnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüssen

Michael Gierse

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gierse,

zu Ihrem Hinweis zum EU Rettungsschirm möchte ich etwas ausführlicher Stellung nehmen:

In der Diskussion über die Finanz- und Eurokrise brauchen wir mehr Mut zur Ehrlichkeit! Zur Ehrlichkeit darüber, dass sich die Eurozone nach wie vor in einer existenziellen Krise befindet, deren Lösung nur durch eine gemeinsame, auch gemeinsame finanzielle Anstrengung aller ihrer Mitglieder möglich ist.
Dazu gehört natürlich die Stärkung und wirkliche Durchsetzung der Schuldenregeln der Gemeinschaft. Aber das allein ist viel zu wenig. Eine Verschärfung der vorbeugenden Schuldenregeln allein zeigt keinen Weg aus den akuten Schuldenproblemen Griechenlands auf. Und sie bietet ebenso wenig Rezepte gegen Blasenbildungen auf den Finanz- und Immobilienmärkten, die ja im Zentrum der Krisen in Irland und Spanien standen.

Der Rettungsschirm in seiner jetzigen Form reicht nicht aus und die Märkte werden sich nicht auf eine Anschlussregelung erst ab 2013 vertrösten lassen. Hier muss kurzfristig nachgebessert werden, zumal sich inzwischen heraus gestellt hat, dass die mögliche Kreditvergabe des Fonds zur Sicherung des AAA-Ratings deutlich unterhalb der maximalen Garantiesumme von 440 Mrd. € liegt. Schon im letzten Jahr konnte die EZB das Scheitern des Rettungsschirms nur durch eigene Anleihekäufe aus den Krisenländern kaschieren. Noch heute die Parole auszugeben, „Keine Anleihekäufe!“, wie es die deutsche Regierungskoalition unverdrossen tut, zeugt vor diesem Hintergrund von nichts anderem als peinlicher Realitätsverweigerung.
Zur nötigen Ehrlichkeit gehört es klar zu stellen, dass diese Krise eben nicht nur eine Krise der Verschuldung in einigen Mitgliedstaaten ist. Sondern wir haben es nach wie vor und im gleichen Maße mit einer Krise des gesamten, weiterhin unterkapitalisierten Bankensystems Europas zu tun. Schuldenkrise und Bankenkrise sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Im ganzen letzten Jahr ist aber nur sehr wenig geschehen, was das Bankensystem stabiler machen würde - und Schwarz-Gelb schweigt dazu.

Zusätzlich gilt, dass auch die spiegelbildlichen, ständig anwachsenden Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der Eurozone einen wesentlichen Beitrag zur Krise leisten und deshalb von allen Partnern gemeinsam bekämpft werden müssen - und nicht nur von den Defizitländern allein.
Zudem braucht Europa verantwortliche Führung! Dazu gehört, dass Deutschland als größtes Mitgliedsland und stärkste Volkswirtschaft endlich aufhört, sich populistisch darauf zu beschränken, mit dem Finger auf vermeintliche „Sünder“ unter seinen Partnern zu zeigen, sondern endlich alle Partner auf einen Weg zur Lösung der Krise mitnimmt. Dabei darf und soll es dann sehr wohl auch seine eigenen Interessen im Hinblick auf die Stabilität unserer gemeinsamen Währung und die Haushaltsdisziplin seiner Partner, die ein unverzichtbarer Teil gemeinschaftlicher Solidarität sein muss, vertreten. Dafür wird jeder Verständnis haben. Wer sich aber wie Merkel und die schwarz-gelben Koalitionäre in die nationale Ecke stellt und deutlich macht, wie wenig Interesse man im Grunde an einer gemeinsamen Lösung hat, der wird am Ende eben auch seine eigenen Interessen nicht wahren können. Und das ist schlecht für unser Land.
Verantwortliche Führung zur Lösung der Krise bedeutet auch, dass Geld-, Fiskal- und Finanzmarktpolitik zusammenwirken müssen. Genau das ist im Moment aber in großer Gefahr. Die deutsche Regierung lässt die EZB mit dem Problem der von der Zentralbank angekauften Staatsanleihen im Stich, die EZB wiederum verkündet ohne Rücksicht auf den Prozess der Krisenbewältigung eine Zinswende. Die Regierungen verschleppen zur Freude von Banken und Schattenbanken die notwendige Finanzmarktregulierung und verhindern eine angemessene finanzielle Beteiligung des Finanzsektors an den Krisenlasten.

Zu Recht hat das Europäische Parlament jetzt noch einmal nachdrücklich die Einführung der Finanztransaktionssteuer gefordert, nichts anderes als eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte, für die wir Sozialdemokraten uns seit langem einsetzen. Wir brauchen diese Steuer, damit endlich nicht mehr allein die Bürgerinnen und Bürger in Europa für den von den Banken angerichteten Schaden aufkommen müssen. Und wir brauchen sie zur Eindämmung des Hochfrequenzhandels und der Spekulation, die die Finanz- und Rohstoffmärkte längst wieder voll im Griff hat.
Ebenso brauchen wir im Rahmen eines dauerhaften Krisenabwehrmechanismus in der Eurozone eine klare und glaubhafte Regelung zur Gläubigerbeteiligung an den Lasten des Abbaus übermäßiger Verschuldung. Denn: Kredite wurden in Griechenland, Irland und anderswo nicht nur viel zu leichtfertig aufgenommen, sondern auch viel zu leichtfertig vergeben. Immer in der Gewissheit, am Ende würden die Steuerzahler schon dafür haften. Damit muss Schluss sein, soll die Krise dauerhaft überwunden werden. Und deshalb braucht Europa jetzt - als letztes Mittel im Falle versagender Warn- und Hilfssysteme - auch Regeln sowohl für eine Insolvenz zu risikoreich agierender Banken als auch für eine Insolvenz zu sorglos sich verschuldender Staaten. Hier gilt: Wer aufhört zu täuschen und den Marktakteuren etwas vorzumachen, wer für Rechtsklarheit sorgt, der schafft auch neue Stabilität.

Und wir brauchen in Europa endlich eine Wirtschaftsregierung, die ihren Namen auch verdient und sich wirklich um die Überwindung der Ungleichgewichte und Wettbewerbsschwächen in der Gemeinschaft kümmert. Eine Wirtschaftsregierung, die nicht den Einen das Exportieren und den anderen das Importieren verbietet, sondern die in gemeinsamer Verantwortung dafür sorgt, dass in den Defizitländern die Exportfähigkeit und in den Überschussländern die Binnenkonjunktur gestärkt wird. Dass mit Investitionen in Bildung, Forschung, Nachhaltigkeit und länderübergreifende Infrastruktur, wie etwa ein gesamteuropäisches modernes Energienetz, die Wettbewerbsfähigkeit ganz Europas gestärkt wird und zugleich neue Beschäftigungschancen entstehen. Auch zur Finanzierung einer solchen gemeinschaftlichen Investitionsanstrengung könnte die Finanztransaktionssteuer einen wichtigen Finanzierungsbeitrag liefern.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Brandner