In der Ukraine wurde lt. Focus-online ein Kriegsdienstverweigerer zu 3 Jahren Haft verurteilt. Wird sich Ihre Partei für die Freilassung einsetzen?
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Frage. Nach unseren Erkenntnissen liegen aktuell keine genauen Zahlen zur Verurteilung von Kriegsdienstverweigerern in der Ukraine vor.
Mit Beginn des völkerrechtswidrigen Krieges Russlands gegen die Ukraine hat die ukrainische Regierung das Kriegsrecht verhängt. Damit gilt – in vollem Einklang mit der ukrainischen Verfassung - für Männer zwischen 18 und 60 Jahren die Wehrpflicht und ein Ausreiseverbot. Sie sind nach dem Mobilisierungsgesetz dazu verpflichtet, sich in Rekrutierungsbüros zu melden.
Die Frage des Ausreiseverbots ist aber von der Frage eines Rechts auf Kriegsdienstverweigerung zu trennen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ein Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung grundsätzlich anerkannt, es folgt aus Art. 9 EMRK, der die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit schützt. Es bedarf also an einer innerstaatlichen Regelung in der Ukraine. Allerdings leitet sich aus einer Verletzung der EMRK nicht automatisch ein Recht des Verletzten auf Asyl in Deutschland bzw. der EU ab. Es ist im Einzelfall zu prüfen.
Selbstverständlich wirft ein Ausreiseverbot menschenrechtliche Fragen auf, denn die Vorstellung, dass jemand gegen seinen Willen an einem Krieg teilnehmen muss, ist schwer zu ertragen, auch wenn der Angriff auf die Ukraine gegen internationales Recht verstößt und das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine durch die Charta der Vereinten Nationen (Artikel 51) gedeckt ist. Die Verhängung des Kriegsrechts in der Ukraine und die damit verbundenen Maßnahmen verstoßen somit gegen keine internationale Norm.
Wir haben uns seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands für eine unkomplizierte und schnelle Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine - unabhängig von Alter, Geschlecht oder etwaigen gegenüber der ukrainischen Regierung bestehenden Verpflichtungen - eingesetzt und werden dies auch weiter tun.
Somit erhalten auch Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren in Deutschland vorübergehenden Schutzstatus nach §24 AufenthG.
Gleiches gilt für den Schutz von politisch Verfolgten und Kriegsdienstverweigerern aus Russland. Für letzteres gilt insbesondere, da der Krieg ihres Landes ein völkerrechtswidriger ist, dass er Anspruch auf einen sog. GFK-Schutzstatus hat und dann in Deutschland aufenthaltsberechtigt nach §§ 3 Abs. 1, 3a Abs. 1 AsylG, §25 Abs. 2 AufenthG wäre.
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch in Deutschland nach dem Grundgesetz Art. 12a im Verteidigungsfall ebenfalls eine Ausreisesperre zulässig und auch die Heranziehung von Frauen zu zivilen Diensten möglich wäre. Allerdings bleibt hier auf der Basis des Grundgesetzes das Recht auf Kriegsdienstverweigerung auch im Verteidigungsfall gewahrt.
Mit freundlichem Gruß
Team Trittin