Frage an Jürgen Trittin von Carsten M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Trittin,
als Staatsbürger, Wähler und nicht zuletzt als Betroffener bitte ich Sie hiermit herzlich darum, mir Ihre Ansicht und Ihre Pläne bezüglich einer nunmehr dringend fälligen, anständigen "Entschädigung" der noch lebenden Contergan-Opfer in Deutschland mitzuteilen.
Das Wort "Entschädigung" musste hier selbstverständlich in Anführungszeichen gesetzt erscheinen, da ja doch offenbar sein sollte, dass niemand von uns je "ent-schädigt" werden kann; jedoch müsste ebenso außer Frage stehen, dass "wir Betroffenen" einen Anspruch darauf haben, in unserem jeweiligen Leben in angemessener Weise Unterstützung zu erfahren!
Dies ist dringlichst geboten!
Die in diesem Jahr verwirklichte Erhöhung der Renten kann nur ein erster Schritt gewesen sein; eine Verdoppelung von "äußerst ungenügend" ergibt immer noch nur "ungenügend". Zudem hatte diese Erhöhung keinen rückwirkenden Charakter.
Ausgerechnet im Mutterland von Contergan sind die Zahlungen weit geringer als irgendwo sonst in Europa.
Der Herstellerfirma Grünenthal, dem Unternehmen Mäurer&Wirtz und nicht zuletzt der Eigentümerfamilie Wirtz geht es blendend ...
Seit dem 18.09.2008 befinden sich – wie Sie sicher wissen – einige Betroffene in einem Hungerstreik … der Besuch eines Spitzenpolitikers vor Ort steht immer noch aus.
Muss erst jemand zu Tode kommen, bevor etwas geschieht?
Ihrer geneigten Antwort sehe ich mit Ungeduld entgegen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Carsten Möller
Sehr geehrter Herr Möller,
die monatliche Rente von maximal 545 Euro aus der Contergan-Stiftung wird den heutigen Belastungen der Betroffenen nicht mehr gerecht. Die hohe Selbständigkeit, die die Contergan-Opfer glücklicherweise erlangten, bezahlten sie oft mit einer starken Überlastung der Gelenke, der Muskulatur und des Skeletts. Aufgrund der gesundheitlichen Folgeschäden können viele betroffene Frauen und Männer nicht mehr ihren Berufen nachgehen. Zusätzlich zu den Renten aus dem Contergan-Fonds tragen bislang die verschiedenen Sozialversicherungsträger wie Kranken-, Renten- oder Pflegeversicherung bzw. die Eingliederungshilfe nach dem XII. Buch Sozialgesetzbuch die Kosten der Folgeschäden.
Aus den genannten Gründen haben wir einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Aus unserer Sicht ergibt sich für die Firma Grünenthal die moralische Verantwortung, weitere finanzielle Anstrengungen zu unternehmen, sich an den Kosten der entstandenen Folgeschädigungen der Betroffenen zu beteiligen. Doch auch die Bundesrepublik Deutschland steht auf Grund des Stiftungsgesetzes (StiftungsG), jetzt: Conterganstifungsgesetz (ContStifG), in der Pflicht, die aus heutiger Sicht völlig unzureichende Schadensersatzleistung entsprechend der gegenwärtig feststellbaren Schädigungsfolgen anzupassen.
Die grüne Bundestagsfraktion bewertet die vorgesehene Rentenanpassung der Koalitionsfraktionen zwar durchaus positiv. Die Verdoppelung der Rentenbezüge ist jedoch willkürlich festgesetzt, ohne die angemessenen Hilfebedarfe der Betroffenen zu ermitteln. Daher fordern wir unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten den angemessenen Hilfebedarf der Geschädigten und den sich daraus ergebenen finanziellen Schadensausgleich zu errechnen.Letzterer kann durchaus höher liegen als die erst kürzlich beschlossene Verdoppelung.
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Trittin