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Jürgen Trittin
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Frage von Norman F. •

Frage an Jürgen Trittin von Norman F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Trittin,

in Folge des Medienrummels um Tibet aufgrund der olympischen Spiele ist mir aufgefallen, dass sowohl der Regierungsschef der Central Tibetan Administration, der tibetischen Exilregierung, als auch das "Staatsoberhaupt", der Dalai Lama, beide Mönche sind. Ich möchte nicht bestreiten, dass diese Regierung sich für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte einsetzt. Dennoch stehe ich ihr skeptisch gegenüber, weil sie wenig Säkularismus zeigt, den ich für wichtig halte. Was halten sie von dieser Exilregierung?

Mit freundlichem Gruß,
Norman Frey

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Frey,

die tibetische Exilregierung wurde 1959 gegründet und seit 1960 schrittweise demokratisiert. Es wurde ein Exilparlament gegründet. Der derzeitige Premierminister wurde 2001 in einer weltweiten Wahl unter den Exiltibetern gewählt. Auch die politische Autorität des Dalai Lama muss durch das Parlament bestätigt werden, anders als seine spirituelle Rolle. Bei einem Zerwürfnis zwischen dem Dalai Lama und der Mehrheit im Parlament wäre seine demokratische Legitimierung kein Automatismus. Daher konnte der Dalai Lama auch anlässlich der jüngsten gewalttätigen Ausschreitungen der Tibeter auch mit Rücktritt drohen für den Fall einer Abkehr vom Weg der Gewaltfreiheit. Es kann also von einem erfolgreichen Weg in Richtung eines modernen Säkularismus unter den Tibetern gesprochen werden.

Die tibetische Exilregierung ist keine international anerkannte Regierung, muss aber als eine Stimme der Interessensvertetung unter den Tibetern ernst genommen werden. Die von der tibetischen Exilregierung erhobenen Gebietsansprüche sind sehr weitgehend, ihre Legitimität hoch umstritten und ihre Forderungen nicht ohne weiteres zu übernehmen. Derzeit vertritt die Exilregierung keine Forderung nach vollständiger Unabhängigkeit sondern eine nach Autonomie innerhalb Chinas. Es ergibt sich somit kein Widerspruch zur Ein-China-Politik der internationalen Staatengemeinschaft. Legitim sind die Forderungen nach kultureller Autonomie und vor allem nach Einhaltung der bürgerlichen und politischen, sowie wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte der Tibeter. Dazu gehört auch der Anspruch auf freie Religionsausübung. Die vielfältigen Fragen nach dem Ausmaß einer Autonomie sollten in einem Dialog zwischen der tibetischen Exilregierung und der chinesischen Regierung geklärt werden. Der Dalai Lama ist zuletzt von seinen früher sehr weit reichenden Forderungen politischer und wirtschaftlicher Autonomie abgewichen. Vor allem scheint es den Exiltibetern um das Recht auf kulturelle und religiöse Selbstbestimmung zu gehen. All das ist mit einem modernen Säkularismus ohne weiteres vereinbar und zählt zu dem Bereich international anerkannter menschenrechtlicher Verpflichtungen von Staaten.

Mit freundlichen Grüßen,

Jürgen Trittin