Frage an Jürgen Trittin von Tamer L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Herr Trittin,
erstmals in der Geschichte Israels sind die umfangreichen und völkerrechtswidrigen Annexionspläne im Westjordanland im Koalitionsvertrag der „Einheitsregierung“ unter Benjamin Netanjahu festgehalten. „Es ist Zeit, israelisches Recht anzuwenden und ein weiteres glorreiches Kapitel in der Geschichte des Zionismus aufzuschlagen“, erklärte Netanjahu in Bezug auf die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Annexionen. Ab dem 1. Juli sollen Teile des Westjordanlands annektiert werden. Wie stehen Sie zu der geplanten Annexion der besetzten palästinensischen Gebiete?
Erkennen Sie die Souveränität Israels über die palästinensischen Gebiete an?
Was halten Sie von Sanktionen gegen die israelische Regierung, falls diese die Umsetzung der völkerrechtswidrigen Annexionspläne tatsächlich durchführt?
Sehr geehrter Herr Latif,
vielen Dank für Ihre Fragen. Ich sehe in der möglichen Entscheidung der neuen israelischen Regierung und des israelischen Parlaments, Teile des Westjordanlands zu annektieren, eine sehr kritische Entwicklung. Eine Annexion würde den israelisch-palästinensischen Konflikt in eine gefährliche neue Phase katapultieren und wäre der endgültige Todesstoß für eine Zwei-Staaten-Regelung. Ich verurteile einen solchen Schritt und unterstütze die Forderung, dass eine Annexion nicht ohne internationale Konsequenzen bleiben darf. Sie wäre völkerrechtswidrig und gegen das Interesse sowohl der Israelis als auch der Palästinenser*innen gerichtet, langfristig in Sicherheit und Frieden zu leben.
Wir Grüne haben mehrfach deutlich gemacht, dass wir die Zwei-Staaten-Lösung als einzig gerechte und international konsensfähige Option zur Beilegung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinenser*innen sehen. Unseren neusten Antrag finden Sie hier: https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/194/1919422.pdf.
Demzufolge ist auch der sogenannte Trump-Plan keine Lösung, sondern im Gegenteil ein Beitrag zur Verschärfung des Konfliktes. Etwas ausführlicher habe ich mich dazu auch in einem Interview geäußert: https://www.welt.de/politik/deutschland/article205454505/Trittin-Trumps-Vorschlag-spaltet-Israels-Gesellschaft-weiter.html.
Die Zwei-Staaten-Lösung erlaubt die Verwirklichung der nationalen Aspirationen sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite und damit den Fortbestand des Staates Israel als demokratischen Staat und – wie in der israelischen Unabhängigkeitserklärung beschrieben – nationale Heimstätte für das jüdische Volk zum Wohle alle seiner Bewohner*innen. Dies beinhaltet auch die Schaffung eines souveränen und demokratischen Staates Palästina, dessen Lebensfähigkeit durch einseitige Annexionen gefährdet oder gar verhindert werden würde.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin