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Jürgen Trittin
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Frage von Karlheinz L. •

Frage an Jürgen Trittin von Karlheinz L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Lieber Herr Trittin,
was spricht für Sie dagegen, daß Deutschland bzw. der Deutsche Bundestag die Schuld an dem Völkermord des Deutschen Reiches in Namibia im Jahre 1904 offiziell anerkenne? Zweifel an der historischen Wahrheit? Parteipolitische Überlegungen?
Herzlichen Dank!
K. Lutz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lutz,

wir Grünen bekennen uns seit langem zur historischen Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen der deutschen Kolonialtruppen zwischen 1904 und 1908 im ehemaligen Deutsch Südwest Afrika. Der Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama war der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. Zulange hat man sich hierzulande um dieses Eingeständnis gedrückt. Wir haben bereits in späten Achtziger Jahren dieses Thema im Bundestag auf die Tagesordnung gesetzt. Der deutsche Bundestag hat sich bereits 1989 zur Verantwortung Deutschlands bekannt. 1995 hatte eine Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages unter Leitung von Uschi Eid (Bündnis 90 / Die Grünen) bereits eine Entschuldigung gegenüber einer Herero-Delegation ausgesprochen. Dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl ging eine solche Entschuldigung bei seinem Besuch 1995 jedoch nicht über die Lippen. Erst die spätere Regierung von SPD und B90/Die Grünen hat mehrere Schritte zu Versöhnungsinitiativen unternommen. Im August 2004 bat Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Nachkommen der Opfer stellvertretend für die deutsche Bundesregierung um Entschuldigung. In der Folge dessen wurden für die „Versöhnungsinitiative Namibia“ von Rot Grün 20 Millionen Euro bereitgestellt, zusätzlich zur bereits hohen Entwicklungshilfe für Namibia. Hiermit sollen insbesondere Siedlungsgebiete der betroffenen Volksgruppen gefördert werden. Hier sind noch nicht alle Mittel abgerufen worden.

Allerdings hat sich durch einen neuen Beschluss des namibischen Parlaments eine neue Sachlage ergeben. Bis kurzem stand das Thema der materiellen Wiedergutmachung für die Herero und Nama eher im Hintergrund. Die Namibier selbst, sowohl Regierung als auch Parlament, haben diese Forderungen bis dahin nicht erhoben. Man wollte vermeiden, ethnische Differenzen in Namibia zu vertiefen. Das hat sich nun mit dem Beschluss des namibischen Parlamentes vom Oktober 2006 geändert. Einstimmig werden nun Wiedergutmachungsforderungen unterstützt.

Ein Anspruch auf Wiedergutmachung für die betroffenen Volksgruppen ist zunächst einmal anzuerkennen. Und da reicht auch nicht der Hinweis auf die hohe Entwicklungshilfe, die Deutschland in Namibia leistet. Denn die legitimiert sich durch die allgemeine kolonialgeschichtliche Verantwortung und hat keinen direkten Bezug zum Völkermord an Herero und Nama. Es geht auch nicht um eine juristische Wiedergutmachung im strengen völkerrechtlichen Sinn. Sie würde sich auf dem juristischen Wege nicht erreichen lassen. Es geht um die – auch materielle - Anerkennung der deutschen Verantwortung für die Verbrechen der Kolonialzeit. Es scheint denn auch auf Seiten der Namibier und der verschiedenen Herero-Repräsentanten Einigkeit zu bestehen, dass Wiedergutmachung für die betroffenen Volksgruppen und nicht individuell erfolgen sollte. Alle Menschen, die heute dort leben, würden von solch einer Hilfe profitieren. Denn: „Unsere koloniale Geschichte hat Auswirkungen auf alle unsere Menschen gehabt und betrifft alle Namibier“ so der namibische Botschafter Katjavivi. Hierzu sollten die Rechtsnachfolger derjenigen deutschen Unternehmen einen Beitrag leisten, die damals von der Zwangsarbeit profitiert haben. Hierüber sollte der Bundestag in einen parteiübergreifenden Dialogprozess mit dem namibischen Parlament treten. Denn dies ist nicht nur eine Frage der Regierungen, sondern der Völker. Parteipolitische Überlegungen sollten bei solchen Fragen keine Rolle spielen.

Mit
freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin