Frage an Jürgen Trittin von Helmut S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Trittin,
in Ihrem Minderheitenvotum zum Antrag der Bundestagsmehrheit wg. Antisemitismus führen Sie u.a. aus:
BDS-Bewegung (...) setzt sie sich dem Verdacht aus, den Fortbestand des mehrheitlich jüdischen Staates Israel nicht zu wollen. BDS trägt so gewollt oder ungewollt dazu bei, die Zwei-Staaten-Perspektive zu untergraben.
Meine Fragen hierzu:
1. Können Sie irgend einen Anhaltspunkt dafür nennen, dass der gegenwärtige israelische Ministerpräsident jemals in glaubwürdiger Weise für die Zweistaatenlösung eintrat?
2. Wie realistisch halten Sie die Zweistaatenlösung angesichts folgender Tatsachen:
a. Annektion von Ostjerusalem durch Israel
b. Ankündigungen von Annektionen jenseits Jerusalems durch den israelischen Ministerpräsidenten
c. In der Westbank leben inzwischen ca. 700.000 Israelis
d. Israelische Regierungspolitik zu den sog. Outposts: Siedlungen die obwohl illegal auch nach israelischem Recht, jahrelang über den israelischen Staatshaushalt finanziert und jüngst legalisiert wurden.
e. In den sog. C-Gebieten der Westbank (WB), die 62 % des Territoriums der WB umfassen, lebten 2011 noch 5,8 % der palästinensischen WB-Bevölkerung.
3. Wäre es nicht angemessener zu formulieren: Grüne und Bundesregierung tragen und trugen gewollt oder ungewollt dazu bei, die Zwei-Staaten-Perspektive zu untergraben, weil sie es angesichts dieser Entwicklungen bei ritualisierter Kritik beließen, ansonsten aber von der Fiktion auszugingen, die israelische Regierung sei an einer Zwei-Staatenlösung interessiert?
4. In den C-Gebieten der WB findet je nach völkerrechtlichem Standtpunkt seit Jahren ethnische Vertreibung (Jerusalem Legal Aid and Human Rights Center (JLAC)) (1) oder ethnische Verdrängung (Wissensch.Dienst - Bundestag) (2) statt. Finden Sie, dass Ihre Partei darauf bisher in angemessener Weise reagiert hat?
(1) http://www.jlac.ps/userfiles/file/Publications/Concealed%20Intentions-%20JLAC.pdf
(2) https://www.bundestag.de/blob/515092/.../wd-2-026-17-pd
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Die aktuelle Politik von Benjamin Netanjahu richtet sich de facto gegen eine Zwei-Staaten-Lösung, die Siedlungspolitik ist ein fataler Ausdruck dieser politischen Ausrichtung und behindert jede weitere Arbeit in Richtung einer friedlichen Lösung. Und leider nimmt auch der sogenannte „Kushner-Plan“ der US-Regierung nach allem was wir wissen Abstand von dieser Lösung.
Ich halte das für falsch. Die einhellige Meinung des Deutschen Bundestages deckt sich allerdings weiterhin auch mit der von UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Er hat zuletzt nochmal bekräftigt, dass es „keine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung“ gebe. Nur eine Zwei-Staaten-Regelung des israelisch-palästinensischen Konfliktes ermöglicht es, den Staat Israel als demokratischen Staat mit einer jüdischen Mehrheit in Frieden und Sicherheit dauerhaft zu erhalten und fortzuentwickeln, ohne den Palästinenserinnen und Palästinensern das nationale Selbstbestimmungsrecht zu verweigern. Davon bin auch ich überzeugt und dafür werde ich mich auch weiterhin stark machen. Das wir die angesprochenen Siedlungen ganz klar als das bezeichnen, was sie sind, nämlich völkerrechtswidrig können Sie u.a. in unserem Antrag zu „70 Jahre Israel“ nachlesen (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/018/1901850.pdf)
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Trittin