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Jürgen Trittin
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Frage von Marco B. •

Frage an Jürgen Trittin von Marco B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Trittin,

wieso stimmen Sie für den Mali-Einsatz? Wen werden deutsche Soldaten durch ihren Einsatz in Mali wirklich unterstützen?

Da ich bisher noch nicht viel über Mali wusste, habe ich mich über dieses Land im Internet belesen. Bereits die Erläuterungen auf Wikipedia machen mich bezüglich des Einsatzes mehr als stutzig.

Da gibt es große Goldminen, die derzeit drittgrößten in Afrika, an denen auch die deutsche Firma Pearlgold AG zu 25% beteiligt ist.

Weiterhin gibt es den französischen Energiekonzern AREVA, der sehr großes Interesse an Malis Uranvorkommen hat. AREVA betreibt bereits im Nachbarland Niger 2 Minen zum Uranabbau. Wie sich der europäische Großkonzern in Niger verhält, sollte Ihrer Partei nicht umbekannt sein.
( www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/arevas_uranfoerderung_stellt_immer_noch_gefahr_fuer_niger_dar/ )

Im Januar war bereits in den Medien zu lesen, dass Frankreich mit Spezialeinheiten eben diese Minen auch im Rahmen des Krieges in Mali beschützen lässt.
( www.heise.de/tp/artikel/38/38437/1.html )

Generell ist die Politik Frankreichs in seinen ehemaligen Kolonien nicht ganz unumstritten.
( /www.heise.de/tp/artikel/33/33379/1.html )

Herr Trittin, bitte widerlegen Sie meinen faden Beigeschmack, dass es Europa und auch Deutschland letztendlich nicht nur um die Rohstoffe Malis geht. Wie vertragen sich die Ideale der GRÜNEN Umwelt und Frieden mit diesem Abstimmungsergebnis?

Gibt es umweltpolitische Forderungen der Grünen, an welche der Bundeswehreinsatz in Mali geknüpft wurde?

Oder ist es 82,35% der Grünen egal, wie internationale Konzerne das Land seiner Bodenschätze berauben?

Vielen Dank für Ihre Bemühungen im Voraus
und mit freundlichem Gruß

M. Beyer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Beyer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.

Seit Anfang 2012 steckt Mali in einer schweren politischen Krise. In Afrika begann somit die Entstehung eines weiteren drohenden "failed state", mit neuen Rückzugsräumen für islamistische Terroristen. Der Norden des Landes wurde von bewaffneten islamistischen Gruppen besetzt. Sie haben die Scharia eingeführt und schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. Anfang Januar kündigten sie den Waffenstillstand und begannen einen Vorstoß nach Süden. Die Islamisten marschierten bereits auf die Hauptstadt Bamako zu, der Großteil der malischen Bevölkerung floh in den Süden, um den Gräueltaten der Islamisten zu entgehen. Deshalb bat die malische Übergangsregierung die Vereinten Nationen und Frankreich um Hilfe.

Francois Hollande hatte im Oktober 2012 in Dakar eine Kehrtwende in der französischen Afrika-Politik angekündigt. Mit neokolonialen Praktiken zur Sicherung der französischen Vorherrschaft ("Françafrique") sollte Schluss sein. Frankreich hatte sich in den vergangenen Monaten intensiv dafür eingesetzt, dass die Mali-Krise auf der Grundlage von UN-Resolutionen und mit afrikanischen Regionalorganisationen gelöst wird. Dafür wurden im Jahr 2012 mit den VN-Resolutionen 2056, 2071 und 2085 die Voraussetzungen geschaffen. Als Vermittler zwischen der Regierung in Bamako und den Gruppen im Norden fungiert der Präsident von Burkina Faso, Blaise Compaoré. Die EU soll unterstützend agieren. Der internationale Plan zur Bewältigung der Mali-Krise wurde durch den überraschenden Angriff der Islamisten auf die Stadt Konna am 07. Januar 2013 durchkreuzt.

Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass wir Grüne die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen mit militärischen Mitteln klar ablehnen. Harte Interessenpolitik führt zu einem Wettlauf um Rohstoffe, bei dem am Ende alle verlieren. Deshalbmüssen wir den Nachfragedruck auf Energieressourcen vermindern.Dabei sehen wir die Industriestaaten mit einer Drosselung ihrer Nachfrage am Zug. Im Falle Malis sehen wir aber nicht die Durchsetzung von Ressourceninteressen als Motiv für das französische Eingreifen. Frankreich hat zu Recht auf Bitten der malischen Regierung, mit Zustimmung des Sicherheitsrates und damit auf der Grundlage des Völkerrechts, eingegriffen und einen weiteren Vorstoß der Islamisten in den Süden gestoppt. Die rot-grüne Regierung in Frankreich hat erklärt, dass sie mit der Operation SERVAL folgende Ziele verfolgt: den Vorstoß der Terroristen stoppen, die staatliche Existenz des malischen Staates sichern und die Voraussetzungen schaffen, damit malische und afrikanische Kräfte die territoriale Integrität Malis wieder herstellen können. Mit einem weiteren Vorstoß der Islamisten in den Süden wären jegliche Verhandlungen zwischen der Übergangsregierung und den islamistischen Gruppen unmöglich geworden. Vor diesem Hintergrund der Geschehnisse war die französische Intervention eine riskante, aber erforderliche Notaktion. Frankreich hat damit die malische Übergangsregierung stabilisiert und verhindert, dass Mali im Chaos versinkt.

Es muss jetzt darum gehen, das Land in einem multilateralen Engagement zu stabilisieren und die Verantwortung an die afrikanischen Kräfte zu übertragen. Wir befürworten die Bemühungen innerhalb der Vereinten Nationen, UN-Blauhelme mit der Aufgabe zu betrauen. Die westafrikanischen Staaten müssen gemeinsam mit den malischen Sicherheitskräften für Sicherheit und Ordnung in Mali sorgen. Deshalb war es richtig, dass sich die Bundesregierung entschieden hat, ECOWAS mit der Entsendung von zwei Transallmaschinen zu unterstützen und im Rahmen der EU sowie zur Unterstützung der UN-Mission AFISMA insgesamt bis zu 350 Soldaten zur Stabilisierung Malis bereitzustellen. Wir Grüne unterstützen grundsätzlich die beiden Missionen, weil wir das gemeinsame Handeln der EU sowie die multilaterale und regional eingebettete Krisenbewältigung begrüßen. Es muss aber generell darum gehen, die Afrikaner so zu stärken, dass sie künftig selbst in der Lage sind, solche Krisen zu meistern.

Jetzt kommt es darauf an, Mali beim politischen Prozess zu begleiten. Malis Hauptstadt Bamako hat sich auf den Weg zur Rückkehr zur verfassungsmäßigen und vollständig demokratisch legitimierten Ordnung gemacht. Die Wahlen sollen im Juli stattfinden. Entscheidend ist, dass alle Bevölkerungsteile wählen können und ein Versöhnungs- und Dialogprozess zustande kommt. Nur so ist langfristig eine stabile, demokratische und freie Gesellschaftsordnung möglich.

Das fragile malische Staatsgebilde ist zu einem großen Teil von internationalen Entwicklungsgeldern abhängig. Wir wollen, dass die Unterstützung wieder aufgenommen wird, insbesondere um die grundlegenden staatlichen Funktionen u.a. im Bildungs- und Gesundheitsbereich aufrecht zu erhalten. Außerdem muss die humanitäre Hilfe der Flüchtlinge und Binnenvertrieben verbessert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin