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Jürgen Trittin
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martin D. •

Frage an Jürgen Trittin von Martin D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Jürgen,

ich habe den Mitgliedsantrag der Bündnis 90/Die Grünen vor mir liegen. Bis 1998 wählte ich immer grün!

Ich möchte Dir gerne zwei Fragen stellen:

In unserer parlamentarischen Demokratie muss man als Bürger immer wieder ohnmächtig zusehen, wie Entscheidungen gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung und auch der Parteimitglieder, im Bundestag, teils mit disziplinarischen Mitteln, durchgepeitscht werden.

1.) Wie sieht Deine Vision aus, dass ich als Bürger nicht mehr das Gefühl habe, alle vier Jahre, meine Stimme in einer Urne zu begraben und den politischen Eliten "ausgeliefert" zu sein?
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Fakt ist, dass wir für die zunehmend automatisierte und optimierte Arbeits- und Produktionsprozesse, die einer Vollbeschäftigung diametral entgegenwirken, kein gesellschaftliches Modell haben und es hierzu keine zukunftsweisenden Konzepte gibt. Immer noch ist Vollbeschäftigung das erklärte politische Ziel. Ich sehe in eurem Grundsatzprogramm S. 45ff hierzu keine Lösungsansätze.

2.) Muss, Deiner Meinung nach, nach alternativen Konzepten gesucht werden und wenn ja, wie sollen die Lösungen gefunden werden?
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Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!

Gruss
Martin

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dessenne,

zu Ihrer ersten Frage: eine Möglichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern auch zwischen den Wahltagen die Möglichkeit zu geben, ihren Willen zu bekunden, ist die Einführung direktdemokratischer Instrumente. Wir bringen regelmäßig Gesetzentwürfe zur Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene ein, die aber nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Deutschen Bundestag erhalten. Dennoch werden wir weiter dafür werben. In den Ländern haben wir Grüne die Hürden für die Durchführung von Volksentscheiden gesenkt und Volksentscheide damit zu einem Instrument bürgernaher Politik gemacht.

Die Grüne Bundestagsfraktion hat in den vergangenen Monaten ein Papier erarbeitet, in dem sie Vorschläge für die bürgernahe und effiziente Planung von Großprojekten macht.
https://www.gruene-bundestag.de/themen/innenpolitik/betatext/betatext0_ID_4386293.html Auch dies ist ein Thema, das vielen Bürgerinnen und Bürgern extrem auf den Nägeln brennt und bei dem sie sich bisher ausgeschlossen gefühlt haben. Vielleicht möchten Sie einen Blick auf unsere Vorschläge werfen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Die Automatisierung und Optimierung von Produktionsprozessen in der Industrie haben tatsächlich zu einer sinkenden Notwendigkeit manueller Arbeit geführt. Gleichzeitig sind solche Prozesse auf den Dienstleistungsbereich nicht übertragbar. Der Bildungsaufbruch, die alternde Gesellschaft oder die zunehmende Verknüpfung von Industrieprodukten mit Dienstleistungen lassen erkennen, dass wir weiterhin menschliche Arbeit brauchen. Empirisch kann man sehen, dass zB die skandinavischen Länder, obwohl volkswirtschaftlich ähnlich strukturiert, eine höhere Beschäftigungsquote aufweisen. Die Arbeit geht uns also nicht aus. Insofern bleibt das Ziel einer Vollbeschäftigung richtig. Vollbeschäftigung ist aber kein Wert an sich, sondern Erwerbsarbeit ermöglicht Menschen ein selbstbestimmtes Leben.

Im Bundestag haben wir in dieser Wahlperiode fraktionsübergreifend über dieses und verwandte Themen diskutiert. Siehe auch die Website der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität": http://www.bundestag.de/bundestag/gremien/enquete/wachstum/index.jsp# < http://www.bundestag.de/bundestag/gremien/enquete/wachstum/index.jsp# >

Mit freundlichen Grüßen,

Jürgen Trittin