Frage an Jürgen Trittin von Gerd W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Trittin,
in Ihrer Antwort an F. P. vom 20.07.2012 sagen Sie dass ein "Schuldentilgungsfonds" mit "Schulden, die 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreiten" den "Schuldenabbau erleichtern" würde. Was meinen Sie mit dieser Behauptung? Dass ein solcher Fonds den Schuldenabbau theoretisch erleichtern würde oder dass er zu einem wirklichen Schuldenabbau führen würde? Ersteres ist trivialerweise wahr, letzeres ist eine gewagte Behauptung ohne weitere Begründung. Die Erfahrung mit Demokratien, insbesondere mit populistischen Vetternwirtschafts-Demokratien wie Griechenland, zeigt doch, dass die Tendenz zum fortgesetzten Schuldenmachen zugunsten öffentlicher Wohltaten, und ohne Rücksicht auf die entstehenden Risiken für nachwachsende Generationen, immanent ist. Warum also sollte ein betroffenes Land nur durch die Vereinbarung eines "verbindlichen Plans" seine Schulden innerhalb von 25 Jahren tilgen, bei gleichzeitiger Lockerung des aktuellen Zinsdrucks? Zusagen zu solchen "verbindlichen Plänen" wurden in der europäischen Poiltik schon oft gemacht, gerade auch von Griechenland, aber nie eingehalten. Selbst Deutschland hält sich nicht an Pläne zum Schuldenabbau, sondern macht immer neue Schulden.
Ihr Vorschlag scheint mir deswegen bestenfalls naiv, aber eigentlich sogar unserös und gefährlich, und eine Verletzung der grünen Prinzipien von Nachhaltigkeit und der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen.
Sollten diese Haltung zur Schuldenkrise sich in der Grünen Partei durchsetzen, könnte ich zum ersten Mal seit vielen Wahlen nicht mehr grün wählen.
Sehr geehrter Herr Wagner,
gerade wenn man sich wie Bündnis 90 / Die Grünen den Prinzipien von Nachhaltigkeit und der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen verschrieben hat, ist ein Schuldentilgungsfonds, wie ihn der Sachverständigenrat der Bundesregierung vorschlägt, sehr zu unterstützen. Denn um den Teufelskreis aus immer höheren Refinanzierungskosten und der Anhäufung von immer mehr Schulden zu durchbrechen, bietet der Schuldentilgungsfonds mit einer gemeinschaftlichen Haftung für ausgelagerte Schulden, die 60 % des BIP überschreiten, den richtigen Ansatz. Der Schuldentilgungsfonds würde den Schuldenabbau in der Tat reduzieren, nicht nur theoretisch.
Die Idee hinter dem Pakt ist, dass gerade die Peripherieländer, also Griechenland, aber vor allem auch Spanien und Italien dauerhaft nicht gegen die derzeitig enorm hohen Zinsen ansparen können, die sie für ihre Staatsanleihen bezahlen. Wenn wir einen gemeinsamen Fonds haben, dann können wir auch gemeinsame Anleihen begeben mit deutlich niedrigeren Zinsen für die meisten europäischen Länder. Im Gegenzug gehen die teilnehmenden Länder Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Schuldentilgungsfonds ein, die so berechnet sind, dass jedes Land seine ausgelagerten Schulden innerhalb von insgesamt etwa 25 Jahren tilgt. Der Vorzug der gemeinschaftlichen Haftung ist an erhebliche Auflagen geknüpft. Dazu zählen eigens zum Zwecke der Tilgung zu erhebende Steuern, die Hinterlegung von Sicherheiten und die Verpflichtung zur Aufstellung verbindlicher Konsolidierungs- und Strukturreformpläne. Die genannten Sicherheiten würden dann fällig, wenn ein Land seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Es senkt somit das Risiko, dass es zu einem Haftungsfall kommt. Dadurch dass es sich bei diesen Sicherheiten um nationale Sicherheiten z.B. in Form von Währungs- und Goldreserven handelt, werden hier also nicht beispielsweise die deutschen Währungsreserven als Haftungsmasse für italienische Schulden herangezogen, sondern ausschließlich italienische Reserven für italienische Schulden und deutsche Reserven für deutsche Schulden (vgl. Sachverständigenrat 2012).
Der Schuldenabbau der nationalen Schulden soll durch eine zu benennende Steuer oder Abgabe geschehen. Schulden des einen sind die Vermögen der anderen: Es macht also sowohl systematisch, als auch aus Gerechtigkeits- und Wachstumsüberlegungen heraus Sinn, den Schuldendienst größtenteils durch eine Abgabe auf hohe Vermögen zu bestreiten. Genaueres zur Grünen Vermögensabgabe finden Sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/themen/finanzen/die-gruene-vermoegensabgabe.html
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin