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Jürgen Trittin
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Frage von Eckehard O. •

Frage an Jürgen Trittin von Eckehard O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Trittin,

im heutigen ARD Morgenmagazin plädieren Sie, unisono mit den Staatschefs Monti und Hollande, für unbegrenzte Anleihekäufe durch den ESM, der obendrein mit einer Banklizenz ausgestattet werden soll. Als "Begründung" führen Sie u.a. an, auf diese Weise ließe sich die 6% Zinsspanne der bisher am Anleihekauf beteiligten Banken vemeiden, die Zinsgewinne blieben beim ESM.
Ungeachtet dessen, daß der ESM-Vertrag verfassungsrechtlich mehr als fragwürdig ist (ihre Antworten zu dieser entscheidenden Frage sind allesamt ausweichend bzw. äußerst unbefriedigend, Sie sind aber in "guter Gesellschaft" mit Regierung und dem großen Teil der "Opposition"), würde Ihr Vorstoß bedeuten, daß Deutschland unmittelbar für die Schuldenpolitik der Südländer geradestehen muß, und zwar unbegrenzt und auf Ewig.
Damit wäre die "Transfer-Union", ein Euphemismus für Ausbeutung deutscher Arbeitnehmer und Sparer zugunsten der notorischen Schuldenmacher-Staaten, endgültig besiegelt.
Sofern Deutschland überhaupt die vergemeinschafteten Schulden tragen kann, führt dieser Automatismus zu gewaltiger Inflation. Deutschlands Arbeitnehmer und Sparer werden daher faktisch enteignet, während private Banken ihre fetten Gewinne doch längst davongetragen haben.

Ist all dies in Ihrem persönlichen Ansinnen, oder sind Sie gar stiller Teilhaber an einer der beteiligten Finanz-Institutionen? Entspricht dieses Ziel der Agenda Ihrer Partei?

Sie betonen die besondere Verantwortung D´s für den Euro und die EU. Auch die Bedeutung des Euro an sich, als zweite Leitwährung sei ganz entscheidend. Welche "Stabilitätskriterien" kann aber eine unbegrenzt gedruckte Monopoly-Währung, die Staatsanleihen von maroden Pleitestaaten einfach immerzu "aufkauft" und Schulden beliebig anhäuft überhaupt noch erfüllen? Unabhängigkeit der EZB heißt doch nicht, daß sie unbegrenzt Geld drucken darf! Wie sollte der Euro dabei stabil bleiben? Merken Sie nicht mehr, daß Ihre Forderung völlig absurd ist?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Onkels,

die Transferunion haben wir bereits. Durch das katastrophale Krisenmanagement der Bundesregierung muss die EZB einspringen, bei der im Moment auch die Risiken verbleiben. Die Zinsgewinne aber verbleiben bei den Banken. Hinter der EZB stehen aber wieder die europäischen SteuerzahlerInnen.Die Kredite der EZB übersteigen mittlerweile das Volumen des ESM bei weitem. Somit ist die Bundesregierung nicht ehrlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie behauptet, sie sei gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden. Diese gibt es bereits. Und dennoch versuchen CDU, CSU und FDP, der deutschen Öffentlichkeit weiszumachen, dieses Europa sei keine Transferunion. Die Wahrheit ist: Von der Montanunion über die Gemeinsame Agrarpolitik, die Strukturfonds bis hin zu den Liquiditätstransfer durch die EFSF -- dieses Europa besteht aus lauter Transfers. Und es gibt nicht nur die Haftung der Mitgliedstaaten für jene Anleihen, Europa hat sogar erfolgreich Eurobonds eingesetzt -- zur Abwehr der Spekulation gegen Ungarn und Lettland. Europa ist eine Erfolgsgeschichte, unter anderem /weil/ es eine Transferunion ist -- von der nicht zuletzt wir Deutschen profitierten.

Wir Grüne haben für eine schnelle Ratifizierung des ESM plädiert. Frau Merkel aber hat sein Inkrafttreten bewusst verzögert. Wir glauben, dass der ESM ein wichtiger Baustein ist, um die Eurozone langfristig zu stabilisieren. Wir unterstützen ihn auch deshalb, weil er ein zentrales Prinzip beinhaltet: Es gibt nur Hilfe gegen Auflagen. Diese Konditionierung bedeutet, dass der ESM nur greift, wenn die hilfebedürftigen Mitgliedsstaaten vorab getroffene Vereinbarungen auch sicher einhalten. Die EZB hingegen kann keine Bedingungen stellen, wenn sie durch Nichtstun der Euro-Staaten dazu gezwungen wird, erneut Anleihen von Krisenländern aufzukaufen, um das Schlimmste zu verhindern.

Es gibt in dieser Krise sicher keine leichten Antworten. Klar ist aber, dass die Kosten eines Auseinanderbrechens der Eurozone mit Sicherheit weit höher wären als die Ausfallrisiken, die sich aus den Kreditgewährungen und Haftungsübernahmen der Rettungsschirme ergeben. Ganz zu schweigen von den Kosten einer gescheiterten europäischen Integration und dem Verlust von Gestaltungskraft in globalen Gremien. Denn Deutschland allein hat in einer globalisierten Welt auf Dauer kein Gewicht. Um politischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen, brauchen wir eine handlungsfähige und starke Europäische Union. Langfristig müssen dafür tatsächlich auch Entscheidungsbefugnisse auf die Gemeinschaftsebene der EU überführt werden. Ein demokratischerer Aufbau der EU mit einem stärkeren Parlament liefert dabei die Grundlage für eine entsprechende Kompetenzübertragung. Dafür muss sich die Bundesregierung in Brüssel einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin