Frage an Jürgen Trittin von Matthias Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Trittin!
In einem Interview nach Ihrer Teilnahme bei den Bilderbergern (s. auch die Anfrage weiter oben!) sagten Sie folgendes (auf die Frage des Interviewers):
".....Was wurde von Ihnen auf dieser Konferenz vertreten?
Ich habe dort nichts anderes vertreten als anderswo. So plädierte ich für eine Abkehr vom einseitigen Sparkurs in Europa, für nachhaltige Investitionen in Bildung, Energie und Infrastruktur sowie einen europäischen Schuldentilgungsfond. Selbstverständlich warb ich für eine Steuer auf Finanzgeschäfte und für eine Vermögensabgabe, um Krisenverursacher und Vermögende an den Kosten der Krise zu beteiligen......."
Ich verstehe absolut nicht, wie Sie dem heutigen Spaniendeal zustimmen konnten, der u.a. ja damit verknüpft ist, daß die Spanier ihre Bildungsausgaben um 20% (!!) kürzen, neben all den anderen Sparmassnahmen.
Bitte erklären Sie doch mal, wie diese Doppeldeutigkeit, oder diese völlige Divergenz in Wort und Tat zu verstehen ist.
mfg ein Bürger
Sehr geehrter Herr Zeller,
wir Grüne haben uns klar gegen das einseitige Spardiktat in Europa , wie es Frau Merkel verordnet hat, ausgesprochen. Nur Sparen bringt uns nicht aus der Krise. Dieser Grundsatz ist immer noch richtig. Auch aus diesem Grund haben meine Fraktion und ich die am 19.7. beschlossenen Finanzhilfen für Spanien mit breiter Mehrheit unterstützt.Denn jetzt muss es darum gehen, den Zinsdruck auf Spanien zu mindern und den maroden spanischen Bankensektor zu restrukturieren. Wir haben es in Spanien eben nicht mit einer Staatsschuldenkrise zu tun, sondern in erster Linie mit einer Bankenkrise als Folge der geplatzten Immobilienblase. Spanien war lange Zeit haushaltspolitischer Musterknabe und auch heute noch ist die Verschuldung Spaniens im Verhältnis zum BIP geringer als in Deutschland.
Ohne Rekapitalisierungshilfen würden einige der Problembanken in Spanien zusammenbrechen, mit möglicherweise desaströsen Folgen für die spanische Wirtschaft. Entweder Spanien finanziert also seine Bankenrestrukturierung mit teuren Krediten am Kapitalmarkt, oder es finanziert sich zu günstigeren Zinsen über die EFSF. Die europäischen Rettungsschirme sehen für einen solchen Fall vor, dass dem Finanzsektor über den spanischen Staat geholfen werden kann. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr einer sich verschärfenden Lage in Spanien, die die ganze Euro-Zone belastet. Ein gezieltes Eingreifen im Bankensektor zum jetzigen Zeitpunkt kann den Druck auf Spanien reduzieren und somit die Wahrscheinlichkeit verringern, dass der spanische Staat insgesamt unter den Rettungsschirm muss.Die Zinsminderung durch die Kredithilfen macht ungefähr 2,5 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr im Haushalt Spaniens aus. Das sind 2,5 bis 3 Milliarden Euro, die Spanien weniger sparen muss.
Aus diesem Grund sind wir dafür, Spanien zu helfen und die schwierige Lage nicht weiter zu verschärfen. Dennoch kommt es entscheidend darauf an, wie diese Restrukturierungsmaßnahmen ausgestaltet werden. Marode Banken müssen auch abgewickelt werden können. Und es müssen vorrangig die privaten Investoren zur Deckung von Verlusten herangezogen werden. Wer sich verzockt, der muss auch zahlen. Es darf nicht passieren, dass die guten Banken am Ende bei den privaten Investoren verbleiben, während die maroden beim spanischen Steuerzahler landen, für den die Kosten dann steigen. Wir haben uns deshalb erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Bundestag zu Details der Bankenrestrukturierung noch beraten und Stellung nehmen kann.
Generell müssen wir aber aus den Entwicklungen Konsequenzen ziehen. Statt immer neuer Bankenrettungsmaßnahmen brauchen wir zügig eine echte europäische Bankenunion, eine europäische Bankenaufsicht und eine Schuldenbremse nicht nur für Staaten, sondern auch für Banken. Dem verweigert sich aber vor allem die Bundesregierung.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin