Frage an Jürgen Trittin von Ralf O. bezüglich Wirtschaft
Werter Herr Trittin,
Wie können die Grünen für die Eurobonds , Sie im speziellen nach dem Bilderbergertreffen der Hochfinanz für die Bankenunion sein? Die Eurobonds und die Bankenunion würden die völlige Enteigung der deutschen Sparer (inklusve Kleinverdiener) bedeuten.Die Eurobonds würden vielleicht 3-4 Jahre Linderung bei der Spekulation bringen, auf dass diese dann auf erhöhter Stufe wieder einsetzt.Ich selber war bisher ein linker Wähler, aber seltsamerweise sind alle Linken (SPD, Grüne, Linkspartei) für die Eurobonds und bei den Piraten wird es sich erst am Programmparteitag im Herbst 2012 entscheiden. Daher überlege ich ernsthaft, ob ich nicht Merkel/CDU oder die Freien Wähler wählen soll, da Frau Merkel die beste Garantie gegen Eurobonds und Bankenunion zu sein scheint ("Solange ich lebe").Wobei auch das relativ ist: Die EU steht gerade vor der Wahl wieder die EU ohne Euro zu werden, die sie von 1990 bis 2002 war und die ja ganz gut funktionierte--oder aber in der politischen und ökonomischen Integration voranzuschreiten (siehe Schäubles Vorstellungen zu einer politischen Union im SPIEGEL-Interview: EU-Kommission wird in eine EU-Regierung umgebaut mit einem EU-Präsidenten an der Spitze, der vom europäischen Volk oder dem europäischen Parlament gewählt wird. Die Natiopnalstaaten in einer zweiten Kammer--aber nicht föderalistisch wie der Bundesrat, sondern zentralistisch: Die Nationalstaaten können nichts mehr blockieren. Eine neue deutsche und europäische Verfassung mittels eines Europareferendums). Wie stehen Sie zu Schäubles Vorstellungen UND:.Welche Gegenargumente würden Sie mir offerieren, damit ich nicht Merkel wähle?
Sehr geehrter Herr Ostner,
der Euro hat Europa Wechselkurs- und Geldwertstabilität gebracht. Destabilisierende Wechselkursspekulationen zwischen den Euro-Staaten sind nicht mehr möglich. Dadurch hat die deutsche Wirtschaft viele Milliarden Euro gespart. Außerdem profitiert Deutschland wie kaum ein anderes Land vom EU-Binnenmarkt. Der Weg aus der Eurokrise kostet Mut und Geld, aber die politischen und wirtschaftlichen Kosten eines Scheiterns des Euro wären gerade für Deutschland enorm.
Europa steht vor der Alternative, entweder den Zerfall der Währungsunion zu riskieren oder mutige Integrationsschritte hin zu einer fiskalischen und politischen Union zu gehen. Von den fundamentalen ökonomischen Daten steht Europa besser da als viele andere Regionen der Welt. Dennoch spitzt sich die Krise dramatisch zu, weil jedes Land alleine zum Spielball der Märkte werden kann. Die Zinsen für Krisenländer erreichen immer neue Rekordstände. Die Einführung eines europäischen Schuldentilgungsfonds, wie ihn der Sachverständigenrat der Bundesregierung vorgeschlagen hat, ist überfällig.
In diesen Fonds würden die Schulden, die 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreiten, überführt. Jedes Land müsste nach einem verbindlichen Plan seinen Anteil an den Schulden innerhalb von 25 Jahren tilgen -- am besten durch die Einführung von Vermögensabgaben. Im Gegenzug würde dieser Teil der Schulden durch gemeinschaftliche Anleihen ausgegeben -- zu deutlich besseren Konditionen als die Krisenländer derzeit an den Kapitalmärkten bekommen. Eine zügige Einführung ist rechtlich möglich, da die gemeinsame Haftung in der Höhe und zeitlich begrenzt wäre. Wir halten diese Form von Eurobonds für sinnvoller als die unkonditionierte Vergemeinschaftung von Schulden über die EZB. Letzteres ist Ergebnis schwarz-gelber Verweigerungshaltung und die schlechteste Form von gemeinsamer Haftung -- nämlich gemeinsame Haftung ohne Kontrolle.
Der Schuldentilgungsfonds wäre neben einer Bankenunion ein zentraler Schlüssel zur Überwindung der Krise. Er würde den dramatischen Zinsdruck, der auf Krisenländern lastet, mindern, Schuldenabbau erleichtern und das Wachstum stärken. Und er kann eine Brücke des Vertrauens schaffen, um die notwendigen weiteren Integrationsschritte diskutieren und auf den Weg bringen zu können. Um die gegenwärtige Krise dauerhaft zu überwinden, brauchen wir mittelfristig mutige Integrationsschritte hin zu einer fiskalischen und politischen Union in Europa. Wir brauchen mehr Europa - dazu gehört auch die Übertragung von Kompetenzen im Haushalts und Steuerbereich auf die europäische Ebene. Einhergehen muss dies mit einer Stärkung des demokratisch legitimierten europäischen Parlamentes. Für solche Schritte wäre eine Grundgesetzänderung erforderlich. Die ist möglich durch 2/3 Mehrheit von Bundestag und Bundesrat. Volksabstimmungen kennt das Grundsetz nicht. Unser Versuch sie einzuführen scheitert regelmäßig am Widerstand von CDU und CSU. Wir plädieren dafür solche Schritte in einem europäischen Konvent unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner breit zu diskutieren.
Mit freundliche Grüßen
Jürgen Trittin