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Jürgen Trittin
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Frage von Rita P. •

Frage an Jürgen Trittin von Rita P. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Trittin,

ist es rechtlich überhaupt zulässig, daß der Deutsche Bürger mit seinem Steuergeld für andere Nationen haftet oder Schulden (Schuldentilgungsfond) bezahlt?

Wenn wir für andere Nationen haften und bezahlen, müssen wir dann nicht auch ein Wahlrecht in diesen Ländern bekommen? Schließlich möchte ich zumindest mitentscheiden dürfen, welche Partei dort mein Geld zum Fenster hinaus wirft.

Wenn Sie und Ihre Partei für Eurobonds, Bankenunion, Schuldentilgungfond sind, können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn Deutschland, vielleicht noch Finnland und die Niederlande, allein diese Töpfe bedienen müssen?

Glauben Sie ernsthaft, daß falls die Linken über kurz oder lang in Griechenland regieren, diese sich noch an irgendwelche Abmachungen halten?

Warum können die Länder, wie Griechenland, Portugal u.s.w nicht eine Parallel-Währung bekommen? Diese könnten sie abwerten und aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen.

Danke für Ihre Antwort
Mit freundlichem Gruß

Portrait von Jürgen Trittin
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Peschkes,

Der Euro hat Europa Wechselkurs- und Geldwertstabilität gebracht. Destabilisierende Wechselkursspekulationen zwischen den Euro-Staaten sind nicht mehr möglich. Dadurch hat die deutsche Wirtschaft viele Milliarden Euro gespart. Außerdem profitiert Deutschland wie kaum ein anderes Land vom EU-Binnenmarkt. Der Weg aus der Eurokrise kostet Mut und Geld, aber die politischen und wirtschaftlichen Kosten eines Scheiterns des Euro wären gerade für Deutschland enorm.

Europa steht vor der Alternative, entweder den Zerfall der Währungsunion zu riskieren oder mutige Integrationsschritte hin zu einer fiskalischen und politischen Union zu gehen. Von den fundamentalen ökonomischen Daten steht Europa besser da als viele andere Regionen der Welt. Dennoch spitzt sich die Krise dramatisch zu, weil jedes Land alleine zum Spielball der Märkte werden kann. Die Zinsen für Krisenländer erreichen immer neue Rekordstände. Die Einführung eines europäischen Schuldentilgungsfonds, wie ihn der Sachverständigenrat der Bundesregierung vorgeschlagen hat, ist überfällig.

In diesen Fonds würden die Schulden, die 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreiten, überführt. Jedes Land müsste nach einem verbindlichen Plan seinen Anteil an den Schulden innerhalb von 25 Jahren tilgen -- am besten durch die Einführung von Vermögensabgaben. Im Gegenzug würde dieser Teil der Schulden durch gemeinschaftliche Anleihen ausgegeben -- zu deutlich besseren Konditionen als die Krisenländer derzeit an den Kapitalmärkten bekommen. Eine zügige Einführung ist rechtlich möglich, da die gemeinsame Haftung in der Höhe und zeitlich begrenzt wäre. Wir halten diese Form von Eurobonds für sinnvoller als die unkonditionierte Vergemeinschaftung von Schulden über die EZB. Letzteres ist Ergebnis schwarz-gelber Verweigerungshaltung und die schlechteste Form von gemeinsamer Haftung -- nämlich gemeinsame Haftung ohne Kontrolle.

Der Schuldentilgungsfonds wäre ein zentraler Schlüssel zur Überwindung der Krise. Er würde den dramatischen Zinsdruck, der auf Krisenländern lastet, mindern, Schuldenabbau erleichtern und das Wachstum stärken. Und er kann eine Brücke des Vertrauens schaffen, um die notwendigen weiteren Integrationsschritte diskutieren und auf den Weg bringen zu können. Wir sind der Überzeugung, dass wir die Kompetenzen der europäischen Ebene stärken müssen und dies einhergehen muss mit der Stärkung des europäischen Parlamentes.

Eine Parallelwährung für Griechenland halten wir nicht für zielführend. Griechenland muss strukturelle Reformen umsetzen, um wieder auf die Beine kommen zu können. Die getroffenen Vereinbarungen hierzu haben Bestand. Eine zeitliche Streckung, insbesondere der harten Konsolidierungsauflagen, halten wir jedoch für möglich und sinnvoll.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin