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Jürgen Trittin
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Frage von Horst K. •

Frage an Jürgen Trittin von Horst K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Trittin,

welche Funktion hat man Ihnen bei den Bilderbergern denn zugedacht? Vizekanzler?,
verdient hätten Sie´s, auch im Hinblick Ihres Einsatzes für die Harz4 Lösung in der Schröder Regierung.
Außerdem wüsste ich noch gerne, wie sie sich zum ESM-Vertrag verhalten. Im Internet wird dieser Vertrag ja als der Ausverkauf Deutschlands bezeichnet, weil wir jeden angeforderten Betrag an Brüssel abdrücken müssen. Wie stehen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen
Horst Kietzmann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kietzmann,

vielen Dank für Ihre Frage. Zur Bilderberg-Konferenz, die ich vom 31.5. bis 1.06.12 besucht habe, habe ich auf meiner Homepage ausführlich Stellung bezogen:

http://www.trittin.de/texte/papiere/20120605_bilderberg.shtml?navanchor=1110011

Zum ESM:

Der Euro-Rettungsschirm (EFSF) wurde als vorübergehendes Notfallinstrument beschlossen. Der ESM hingegen soll ab Mitte 2013 als dauerhafte Institution EU-Staaten im Krisenfall helfen können.

Im Gegensatz zur EFSF zahlen die Euro-Länder in den ESM tatsächlich Kapital in Form einer Bareinlage ein und geben nicht nur Garantien aus. Das erhöht die Glaubwürdigkeit des ESM und ermöglicht es, zu sehr guten Konditionen Kredite am Markt aufzunehmen um sie an die Länder zu niedrigen Zinsen weiterzureichen. Ein zentrales Element des ESM ist die Konditionierung: Es gibt nur Hilfe gegen Auflagen. Der ESM greift nur ein, wenn die hilfebedürftigen Mitgliedsstaaten vorab getroffene Vereinbarungen auch sicher einhalten. Außerdem werden die Kredite nur dann vergeben, wenn der Empfänger seine Schulden auch tatsächlich tragen kann. Das wird in einer sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse überprüft.

Wie die EFSF soll der ESM aber nicht nur Kredite an Euro-Staaten ausgeben dürfen, sondern auch Staatsanleihen am Sekundär- und Primärmarkt aufkaufen sowie Kredite zur Rekapitalisierung von Banken und vorsorgliche Kreditlinien zur Verfügung stellen. Der ESM schafft also verbindliche Regeln, die chaotische Einzelrettungen zum Höchstpreis verhindern.

Wir glauben, dass der ESM ein wichtiger Baustein ist, um die Eurozone langfristig zu stabilisieren. Er wird Euro-Staaten helfen, die sich in einer Notlage befinden und am Markt keine bezahlbaren Kredite mehr bekommen. Er soll dafür sorgen, dass die Notlage eines Mitgliedstaates nicht zu einer Notlage der gesamten Eurozone führt. Wir fordern seit Beginn der Eurokrise die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds, denn er könnte klare Regeln für Finanz-Notfälle schaffen. Der ESM wird -- auch wenn die Bundesregierung das nicht wahrhaben will -- viele Ähnlichkeiten mit einem Europäischen Währungsfonds aufweisen.

Im Gegensatz zu Schwarz-Gelb bekennen wir uns eindeutig dazu, dass ohne gemeinsame Gewährleistungen ein Ausweg aus der Krise nicht möglich ist. Die Koalition hat mit ihrem zögerlichen Verhalten bisher nur erreicht, dass der größte Teil der Krisenstrategie momentan durch die EZB ausgeführt wird. Dadurch werden de facto Risiken aus den Nationalen Haushalten auf die EZB verlagert. Hinter der EZB stehen am Ende jedoch dieselben europäischen Steuerzahler. Die Risiken bei der EZB übersteigen mittlerweile das Volumen des ESM bei weitem. Somit ist die Bundesregierung nicht ehrlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie behauptet, sie sei gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden. Diese gibt es bereits.

Wir finden es richtig, dass der ESM schon diesen Sommer in Kraft tritt. Eine starke und effektive parlamentarische Kontrolle des ESM muss gewährleistet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin