Frage an Jürgen Trittin von Ephraim D. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Trittin,
ich habe gelesen, dass die Grünen sich dem Vorschlag zur Lösung der Euro-Krise des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung anschließen wollen. Danach sollen die Schulden der Euro-Staaten in einen Fond mit gemeinschaftlicher Haftung überführt werden, soweit sie 60 % des BIP der Staaten überschreiten. Die Partner verpflichten sich zur Tilgung ihres jeweiligen Anteils binnen 20-25 Jahren. Dazu stellen sich mir nun folgende Fragen:
1. Herr Tsipras hat den europäischen Partnern, im Falle seiner Wahl, mit der Einstellung des Schuldendienstes und dem Eintritt des Bürgschaftsfalles gedroht, wenn keine weiteren Hilfen für Griechenland fließen. Wie kann sich die Bundesrepublik dagegen absichern, mit ähnlichen Drohungen zu einer Aufweichung des Tilgungspaktes genötigt zu werden, wenn erst eine kritische Bürgschaftssumme erreicht ist?
2. Würde das vorgeschlagene Modell, wenn man es trotz der Risiken will, nicht Spanien zu wenig und Italien zu viel helfen, obwohl Italien unter den südlichen Staaten noch die besten Voraussetzungen für eine Sanierung aus eigener Kraft mitbringt? Immerhin könnten die Spanier nur ca. ein Fünftel ihrer Schulden in den Tilgungsfonds einbringen, die Italiener dagegen die Hälfte.
3. Könnten die Einnahmen aus einer Finanztransaktions- oder Börsenumsatzsteuer als Tilgungsbeihilfe für Staaten verwendet werden, die ihre Sparziele erreichen?
4. Auf welchem Wege sollen die Leistungsbilanzdefizite von Griechenland, Portugal und Spanien abgebaut werden, die derzeit, parallel zu den anderen Hilfsmaßnahmen, über das Target-2-System finanziert werden? Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang den Vorschlag von Thomas Mayer, der für Griechenland eine Rückkehr zu einer eigenen Währung, mit den entsprechenden Abwertungsmöglichkeiten, vorschlägt, wobei bestehende Bankguthaben weiter auf Euro lauten würden?
Vielen Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Ephraim Döhler
Sehr geehrter Herr Döhler,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Schuldentilgungsfonds.
Zu 1) Die Staaten müssen für die ausgelagerten Schulden Sicherheiten hinterlegen. Dies reduziert die von Ihnen erwähnte Gefahr.
Zu 2) Auch für Spanien würden die Zinsen während der Roll-in-Phase deutlich sinken und damit den Haushalt entlasten. Klar ist aber, dass auch der Schuldentilgungsfonds nicht alle Probleme auf einen Schlag lösen kann. Das Hauptproblem in Spanien ist beispielsweise der instabile Bankensektor in Folge der geplatzten Immobilienblase. Dieses Problem muss dringend angegangen werden, damit die momentane Unsicherheit in Bezug auf die Risiken im spanischen Bankensektor abgebaut werden und das Vertrauen wiederkehren können. Wir fordern in diesem Zusammenhang einen europäischen Banken-Restrukturierungsfonds, finanziert aus einer Bankenabgabe, der Banken wenn nötig geordnet abwickeln kann ohne gleich den betroffenen Staat ins Wanken zu bringen.
Zu 3) Die Art der Tilgung der Altschulden müsste jedes Land für sich selbst festlegen. Wir plädieren für die Einführung einer befristeten Vermögensabgabe für Millionäre, um Altschulden abzubauen. Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer wollen wir teilweise für zusätzliche Investitionen nutzen. Sofern die Einnahmen in den EU-Haushalt fließen würden, könnten die nationalen Beiträge abgesenkt werden. Die dadurch gewonnenen Freiräume könnten auch für Abbau der Neuverschuldung oder die Tilgung von Altschulden verwendet werden.
Zu 4) Der Anstieg bei den Target II Salden ist weit größer als die Leistungsbilanzdefizite der angesprochenen Länder in den letzten Jahren. Die Ausweitung der Salden zeigt aber die Liquiditätsabflüsse aus Südeuropa an, die aus der Unsicherheit über die Zukunft der Währungsunion resultieren. Je größer die Ängste, dass ein Ende der Währungsunion zu Abwertungen in Südeuropa und Aufwertungen in Nordeuropa führen könnten, desto lohnender erscheint ein Transfer von Liquidität in den Norden. Dieser Liquiditätsmangel ist aktuell das größte Problem in der Eurokrise und führt zu hohen Realzinsen und Arbeitslosigkeit in Südeuropa. Eine tiefere europäische Integration und eine stabile Perspektive für den Euroraum inklusive einer klaren Absage an Ausstiegsszenarien würde daher zu einer Absenkung der Target II Salden führen und wäre das effizienteste Konjunkturp
rogramm. Da wir einen Austritt einzelner Staaten aus dem Währungsraum für nicht wünschenswert halten, beteiligen wir uns auch nicht an öffentlichen Spekulationen um ein solches Szenario. Wir stellen aber fest, dass Thomas Mayer sich im Gegensatz zu Koalitionspolitikern sehr wohl um die Gefahren eines Flächenbrands bewusst ist, weshalb in seinem Szenario keine Abwertung bestehender Guthaben erfolgt.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin