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Jürgen Trittin
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Frage von Ulf X. •

Frage an Jürgen Trittin von Ulf X. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Trittin,

inwiefern unterscheiden sich die Waffenlieferungen der schwarz-gelben Regierung von denen der rot-grünen Regierung? Die damaligen Waffenlieferungen wurden auch von Ihrer Partei mitgetragen. Gab es damals Abkommen, dass diese nicht gegen Menschen eingesetzt werden dürfen, und inwieweit wurde das kontrolliert?

Durch die Zustimmung Ihrer Partei zu Waffenlieferungen an Saudi-Arabien sind ja Waffenverkäufe an diktatorische Regierungen somit legitim. Wann sind diese in den Augen ihrer Partei legitim und wann nicht?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Xanke,

vielen Dank für Ihre Frage, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.

Für uns Grüne ist ganz klar: die Bundesregierung verstößt mit der Entscheidung, 200 Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, gegen die Rüstungsexportrichtlinien, die im Jahr 2000 unter rot-grün überarbeitet und restriktiver wurden. Denn in den Richtlinien ist klar festgeschrieben: "Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder, (...) in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden."

Saudi-Arabien war an der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Bahrain beteiligt und weist selbst innerstaatlich eine Reihe von menschenrechtlichen und rechtstaatlichen Defiziten auf. Daher ist dieses Rüstungsgeschäft unverantwortlich. Spätestens aus dem Arabischen Frühling sollte man gelernt haben, dass man Stabilität nicht durch die Lieferung von Kriegswaffen und die Aufrüstung von Despoten erreichen kann.

Insgesamt war auch die Rüstungsexportpolitik von Rot-Grün kein Ruhmesblatt, das muss ganz offen gesagt werden. Stellenweise stand sie im Widerspruch zu eigenen friedenspolitischen Ansprüchen, insbesondere dem Ansatz der Zivilen Krisenprävention. Rüstungsexporte waren aber in der rot-grünen Koalition kein Konsensthema, sondern ein heikles bis explosives Streitthema. Auf dem Feld der Rüstungsexporte treffen kurzsichtige Interessen und weitsichtigere Sicherheitspolitik besonders hart aufeinander. Unter Rot-Grün lief im Bundessicherheitsrat immer wieder die Konfliktlinie zwischen dem federführenden Wirtschaftsministerium, Verteidigungsministerium und Kanzleramt auf der einen und dem Auswärtigem Amt und dem Entwicklungsministerium auf der anderen Seite. Im Übrigen hatten die Grünen damals nur eine Stimme im Bundessicherheitsrat, die FDP hat heute vier.

Trotz fehlender Kontrollrechte konnten wir einige besonders problematische Exporte durch öffentliche Ansage verhindern bzw. aufhalten. So z.B. über etliche Jahre Panzerlieferungen an die Türkei, gegenüber Israel den Schützenpanzer "Fuchs", das Patrouillenfahrzeug "Dingo" und U-Boote, so lange ihre nukleare Aufrüstung nicht ausgeschlossen werden konnte. Ende 2003 sollte das EU-Waffenembargo gegenüber China aufgehoben und die MOX-Brennelemente-Fabrik aus Hanau exportiert werden. Beides konnten wir mit vielen Verbündeten verhindern.

Wo unserer Meinung nach die Grenzen der Rüstungsexportrichtlinien überschritten wurden, haben wir das im Bundestag und in Medien deutlich kritisiert -- z.B. die Kleinwaffenexporte nach Saudi-Arabien. Dieser Lieferung widersprachen wir besonders. Wir waren nicht so erfolgreich, wie es wünschenswert gewesen wäre. Aber als einzige der Parteien, die staatliche Verantwortung trugen, haben die Grünen für eine friedensverträgliche Exportpolitik mit viel Risiko gekämpft und Teilerfolge errungen.

Eine extreme und vordemokratische Geheimhaltung verhindert systematisch eine fundierte und verantwortliche Kontrolle der Rüstungsexporte durch das deutsche Parlament. Der frühestens mit einem Jahr Verspätung erscheinende Rüstungsexportbericht ermöglicht nur Kenntnisnahme von vollendeten Tatsachen, aber keinerlei Kontrolle.

Wir brauchen deshalb mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle im Vorfeld der Genehmigungen, besonders wenn es wie im Fall Saudi-Arabien um die Überschreitung der roten Linien geht.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin