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Jürgen Trittin
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Frage von Helene und Dr.Ansgar K. •

Frage an Jürgen Trittin von Helene und Dr.Ansgar K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Trittin,

In Ihrer Rede im Deutschen Bundestag am 27.Mai 2011 forderten Sie den Verteidigungsminister auf: „die Aufgabe, die wir alle als wichtig identifiziert haben, nämlich mehr Einheiten sowie mehr Soldatinnen und Soldaten für Auslandseinsätze bereitzustellen“ höher zu gewichten (Beifall beim Bündnis 90/DIE GRÜNEN). Ist es wirklich Ziel der GRÜNEN Bundestagsfraktion, dafür zu sorgen, dass noch mehr militärische Auslandseinsätze ermöglicht werden? Steht das nicht im Widerspruch zu dem Beschluss „Keine ‚Normalisierung’ militärischer Gewalt“ des Freiburger Parteitags der GRÜNEN vom November 2010?
Am Ende Ihrer Rede sagten Sie:
„Deutschland muss seiner internationalen Verantwortung gerecht werden. Das zielt insbesondere auf die Sicherung und die Herstellung der Herrschaft des Rechts. Wir dürfen keine rechtsfreien Räume auf diesem Globus dulden. Das heißt für uns: Ausbildung, Ausrichtung und Ausrüstung der Bundeswehr müssen sich klar an dieser Priorität orientieren.“
Diese Worte grenzen in unseren Ohren an Größenwahnsinn. Wir fragen Sie, ob Sie wirklich der Meinung sind, dass die Bundeswehr in Auslandseinsätzen, wenn auch in multilateralen Einsätzen, überall auf der Welt die Herrschaft des Rechts sichern und herstellen soll? Die Rüstungsagenturen und Rüstungsindustrien würden sich freuen.

Ein Wort, das wir in Ihrer Rede vergeblich gesucht haben, ist das Wort ´Frieden´. Ebenso sucht man vergeblich Gedanken zu ´ziviler Konfliktbearbeitung´. Einst hatten DIE GRÜNEN GEWALTFREI auf ihr Panier geschrieben. Soll dieser Grundsatz nun endgültig begraben sein?

In Erwartung Ihrer Antwort auf diese drängenden Fragen

Helene + Ansgar Klein

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Klein, sehr geehrter Herr Dr. Klein,

vielen Dank für Ihre Frage, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.

Es geht nicht darum, dass die Grünen mehr militärische Auslandseinsätze ermöglichen wollen, sondern dass unsere Bundeswehr so ausgerichtet sein muss, dass sie den aktuellen Herausforderungen und Aufgaben gewachsen ist. Für die Anforderungen einer modernen Sicherheitspolitik ist eine Armee mit einer Stärke von 250.000 Soldatinnen und Soldaten, von denen nur 7.000 gleichzeitig im Einsatz stehen können, unbrauchbar und ineffizient. Deshalb ist eine Verkleinerung der Bundeswehr und insbesondere eine Verschlankung der Strukturen notwendig und sinnvoll.

In der heutigen Zeit führen Risiken wie die Folgen des Klimawandels, Armut, Hunger und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu (meist asymmetrischen) Konflikten, zu rechtsfreien Räumen und zu Staatszerfall. Auf diese Herausforderungen haben hochgerüstete, große Armeen nicht die richtige Antwort. Das Beispiel Afghanistan macht das deutlich. Deshalb wird es in Zukunft verstärkt darauf ankommen, die internationale Verantwortung im Rahmen von EU und VN mit einer kleineren, flexibleren Armee in multilateralen Einsätzen und in gemischt zivil-militärischen Missionen wahrzunehmen.

Es geht um eine angepasste Ausbildung, Ausrüstung und Ausrichtung der Bundeswehr. Insofern wiederspricht das nicht dem Freiburger Parteitagsbeschluss, denn darin stellten wir wiederholt fest, dass wir eine militärische Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen kategorisch ablehnen. Das hat auch weiterhin Gültigkeit. Auch ist eine militärische Intervention für uns Grüne nach wie vor ultima ratio. Es gibt jedoch Situationen, in denen wir unserer internationalen Verantwortung gerecht werden wollen und müssen. Und für diese Fälle muss unsere Bundeswehr anders ausgerichtet sein. Die aktuelle Lage im Südsudan ist ein Beispiel für eine solche Situation, von denen es in Zukunft eher mehr als weniger geben wird. Dort werden einige wenige unbewaffnete Militärbeobachter nicht ausreichen, um die Lage zu stabilisieren und Frieden zu sichern. Darauf müssen wir vorbereitet sein.

Das hat nichts damit zu tun, dass wir -- wie Sie schreiben -- "überall auf der Welt" die Herrschaft des Rechts wiederherstellen wollen. Für die ganze Welt können wir wahrlich keinen Frieden herstellen. Dieser Anspruch wäre naiv und weltfremd. Wenn wir aber die Verteidigung der Menschenrechte und die Durchsetzung des Prinzips der Rechtstaatlichkeit zurecht auf unsere Fahnen schreiben, dann müssen wir zusammen mit unseren Partnern auch dafür eintreten, auch wenn dies den Einsatz von SoldatInnen und PolizistInnen zur Friedenssicherung und zum Schutz von Menschen bedeutet.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin